Rz. 148
Der Beweis des Erwerbsschadens kann mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden. Besonders aussagekräftig sind in der Regel schriftliche Unterlagen. Bei der Bewertung von Zeugenaussagen, etwa zu in Aussicht genommenen Geschäften, wird vielfach Zurückhaltung angebracht sein. Personen, die der Schweigepflicht unterliegen, etwa Steuerberater, sind von der Schweigepflicht zu entbinden.
Rz. 149
Wichtige Unterlagen sind die Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnung, Steuererklärungen und Steuerbescheide zur Umsatz- und Einkommenssteuer sowie evtl. zur Gewerbe- und Körperschaftssteuer aus den letzten (möglichst drei bis fünf) Jahren vor dem Schadensfall und aus der Zeit danach. Der aus den Steuerunterlagen ersichtliche Gewinn ist im Zweifel ein Mindestgewinn. Häufig ist der tatsächliche Gewinn höher, da eventuell steuerlich bedingte Kürzungen durch Abschreibungen, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen herauszurechnen sind. Die (Steuer-)Bilanzen werden oft mit erheblich zeitlicher Verzögerung erstellt. Der Anwalt sollte seinen geschädigten Mandanten anhalten, bei den meist eingeschalteten Buchführungsunternehmen und Steuerberatern auf einen baldigen Abschluss der einschlägigen Jahre zu dringen bzw. diesen selbst vorzunehmen. Neben den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen können für die Berechnung des Schadens Umsatzsteuervoranmeldungen, Summen- und Saldenlisten, Betriebswirtschaftliche Auswertungen, Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG, Jahreslohnkonten der einzelnen Mitarbeiter, aber auch eine Gewerbeanmeldung, eine Anzeige der Betriebsaufnahme nach § 138 AO oder ein Nachweis über die Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit sowie bei Gesellschaftern der Gesellschaftsvertrag und bei Geschäftsführern der Geschäftsführervertrag von Bedeutung sein.
Rz. 150
Aus den Unterlagen über die Betriebsergebnisse in der Zeit nach dem Schadensfall ergibt sich in der Regel auch, ob außer dem Schadensfall auch andere Umstände den Gewinn geschmälert haben, etwa nicht betriebsbedingt erforderliche besondere Anschaffungen oder erhöhte Materialeinkäufe, die allerdings evtl. die unfallbedingten Mindergewinne ausgleichen sollen. Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung bleiben unberücksichtigt, weil es um den Erwerbsschaden infolge Minderung der Erwerbsfähigkeit geht. Festzustellen ist die Umsatzentwicklung in der Zeit vor und nach dem Schadensfall und die Entwicklung des Rohgewinns unter Berücksichtigung der fixen und variablen Kosten. Von Bedeutung sind die funktionelle und organisatorische Eingliederung des Geschädigten in den Betrieb und die Auswirkung des schadensbedingten Ausfalls.
Rz. 151
Ein Gutachten zum behaupteten Gewinnentgang ist nur einzuholen, wenn der geschädigte Unternehmer ausreichende Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen dargelegt hat. Die Ausgangstatsachen können nach dem Beweismaß des § 287 ZPO insbesondere durch Geschäftsunterlagen, evtl. aber auch durch Zeugen bewiesen werden. Sind ausreichende Anknüpfungstatsachen dargelegt, hat das Gericht zu den sich stellenden wirtschaftlichen Fragen sachverständigen Rat einzuholen, soweit es nicht aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann. Letzteres ist selten der Fall. Erwerbsschäden von Selbstständigen können vielfach nur mit Hilfe von Sachverständigen ermittelt werden. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass die Erarbeitung derartiger Gutachten viel Zeit in Anspruch nimmt, die sich insbesondere bei kleinen Betrieben existenzvernichtend auswirken kann, und dass sich deshalb die Beteiligten unbedingt bereits in einem frühen Stadium der Regulierung auf einen Sachverständigen einigen sollten, anstatt von Verletztenseite einerseits wie von Seiten des Versicherers andererseits getrennte Gutachten in Auftrag zu geben, die möglicherweise zu stark abweichenden Ergebnissen kommen. Letzteres ist angesichts der Komplexität der Materie selten zu vermeiden.
Rz. 152
Der Sachverständige sollte betriebswirtschaftliche und steuerliche Kenntnisse und Erfahrungen haben. Er ist bei der Auftragserteilung darauf hinzuweisen, dass es um eine Prognose geht, bei der die Beweiserleichterungen von § 287 ZPO, § 252 BGB zu beachten sind. Hinsichtlich der Ausgangstatsachen darf der Sachverständige nicht selbstständig Beweis erheben. Er darf seinem Gutachten nur unstreitige oder bewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde legen. Fehlen ihm Unterlagen oder sonstige Informationen, hat er sich mit dem Gericht abzustimmen. Evtl. ist für die Begutachtung von Alternativverläufen auszugehen. Werden die haftungsrechtlichen Fragestellungen und die Beweisanforderungen vom beauftragten Sachverständigen nicht richtig erkannt und nicht ausreichend beachtet, kann sich die zumeist teure Begutachtung als unbrauchbar erweisen. Die dem Sachverständigen vorgelegten oder vorzulegenden Unterlagen müssen auch dem Gegner zur Kenntnis gebracht werden; ist der Geschädigte damit nicht einverstanden, dürfen sie vom Sachverständigen nicht verwertet werden. Die Schädigerse...