Rz. 154
Der Unternehmer muss, wenn er die bisherige Tätigkeit unfallbedingt nicht fortführen kann, versuchen, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten. Soweit er seinen bisherigen Gewerbebetrieb nicht mehr fortführen kann, kann er zu einer beruflichen Umstellung verpflichtet und in diesem Rahmen – ebenso wie ein nicht selbstständig Tätiger – zur Teilnahme an Erfolg versprechenden Umschulungsmaßnahmen verpflichtet sein. Für den bisher Selbstständigen kommt auch die Annahme einer abhängigen Stellung gleicher sozialer Stufe in Betracht. Nimmt er nach der unfallbedingten Unternehmensaufgabe eine abhängige Tätigkeit auf, besteht sein Erwerbsschaden in der Differenz zwischen seinem jetzigen Einkommen aus abhängiger Tätigkeit und seinem mutmaßlichen Einkommen als Unternehmer. Nimmt er keine anderweitige Tätigkeit auf, muss er darlegen, welche zumutbaren Bemühungen er unternommen hat, um die ihm verbliebene Arbeitskraft anderweitig zu verwerten.
Rz. 155
Kann der – nur vorübergehend erwerbsunfähige oder in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkte – Unternehmer seinen Gewerbebetrieb fortführen, so hat er die ihm verbleibende Arbeitskraft voll einzusetzen, um einen Rückgang im Geschäft zu verhindern; er muss für die Zeit seines Ausfalls durch entsprechende Organisation des Betriebes den Interessen einer Schadensbegrenzung nach Möglichkeit Rechnung tragen, etwa durch Umverteilung der anfallenden Arbeiten auf das vorhandene Personal, insbesondere aber durch Einstellung einer Ersatzkraft, die ihn ganz oder in Bezug auf bestimmte Arbeiten vertreten kann. Ein Geschädigter, der eine solche Möglichkeit nicht nutzt, setzt sich dem Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB aus, sodass sich sein Schadensersatzanspruch auf die durch die Einstellung einer Hilfskraft entstehenden Kosten (zuzüglich eines auch durch eine solche Hilfskraft nicht auszugleichenden Ausfalls) beschränken kann. Andererseits kann einem Betriebsinhaber, der durch einen Unfall zur Schließung seines Betriebs veranlasst worden ist, der Vorwurf einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht schon deshalb gemacht werden, weil er vor dem Unfall die Bildung von Rücklagen unterlassen hat, die ihn instandgesetzt hätten, den Betrieb durch einen Vertreter fortführen zu lassen. Unter Umständen kann ein Selbstständiger gehalten sein, in der Unfallzeit entgangene Geschäfte später nachzuholen, soweit dies zumutbar ist.
Rz. 156
Zu unzumutbaren "überobligationsmäßigen" Anstrengungen zwecks Schadensminderung ist auch der verletzte Selbstständige nicht verpflichtet. Unternimmt er dennoch solche, so sind die daraus erzielten Vorteile nicht zugunsten des Schädigers anzurechnen, etwa bei späterer überpflichtmäßiger Nachholung von unfallbedingt zunächst ausgefallenen Geschäften, die ihm nicht zuzumuten gewesen wäre. Unzumutbar ist eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung nicht schon dann, wenn sich in gleicher Situation ein Arbeitnehmer hätte krankschreiben lassen.
Rz. 157
Als Mitverschulden ist es dem Verletzten auch nicht zuzurechnen, wenn ihm aufgrund unfallbedingter Depressionszustände geschäftliche Fehlleistungen bei der Führung seines Betriebs unterlaufen; nur die schuldhafte Nachlässigkeit in der Geschäftsführung ist im Hinblick auf § 254 Abs. 2 BGB relevant. Zur Wiederaufnahme der Arbeit ist auch ein unfallverletzter Selbstständiger erst dann (und nur in dem Umfang) verpflichtet, wenn sein behandelnder Arzt ihm dies aus medizinischer Sicht gestattet. Hieraus kann dem Geschädigten auch dann kein Nachteil erwachsen, wenn sich später aus objektiver Sicht herausstellt, dass der behandelnde Arzt übervorsichtig war.