Rz. 218
Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2011 gut 2,7 Millionen nichteheliche Lebensgemeinschaften in Deutschland, in denen Frau und Mann zusammenlebten. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften leben mehr als 800.000 Kinder. Auch die knapp 2,7 Millionen alleinerziehenden Elternteile dürften zum Teil in Beziehungen leben, die einer Lebensgemeinschaft angenähert sind. Diesen geänderten gesellschaftlichen Umständen wird die Rechtsprechung zur haftungsrechtlichen Behandlung nichtehelicher Lebensgemeinschaften nur unzureichend gerecht. Unstreitig ist, dass der/die Haushaltsführende im Falle des verletzungsbedingten Ausfalls bei der Haushaltsführung Ersatz für den Ausfall bei der eigenen Versorgung fordern kann (vermehrte Bedürfnisse). Streitig ist indes, ob bzw. inwieweit Ersatz auch für den Ausfall bei der Versorgung des Partners verlangt werden kann.
Rz. 219
Ein Sonderfall ist die eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die schon von Gesetzes wegen der ehelichen Lebensgemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend gleichgestellt ist. Die Partner sind gesetzlich zum "Partnerschaftsunterhalt" verpflichtet, wobei jedenfalls mit Wirkung vom 1.1.2005 die wechselseitige Unterhaltspflicht sowohl den Bar- als auch den Naturalunterhalt umfasst (§ 5 LPartG i.V.m. §§ 1360 S. 2, 1360a, 13606 BGB).
Rz. 220
Soweit der Haushaltsführende unfallbedingt nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, erleidet er – und zwar nach allgemeiner Meinung – einen Ausfall, der vom Schädiger gemäß § 843 Abs. 1 BGB wegen Vermehrung der Bedürfnisse auszugleichen ist, entweder konkret auf der Basis tatsächlich entstandener Kosten für eine Ersatzkraft oder fiktiv auf der Basis erforderlicher Kosten (netto) für eine Ersatzkraft. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zu einem Alleinlebenden. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wirkt sich insoweit für den Schädiger in der Regel wegen der Rationalisierungseffekte, die sich aus dem Zusammenleben der Partner ergeben, sogar günstig aus. In zwei Einpersonenhaushalten fällt wesentlich mehr Arbeit an als in einem Zweipersonenhaushalt.
Rz. 221
In der Ehe ist der Ausfall bei der Versorgung des Ehepartners unstreitig ein Erwerbsschaden. Traditionell wird gesagt, das sei so, weil der Haushaltsführende mit der Haushaltsführung die wechselseitig bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht erfülle, der Haushaltsführung stehe die Barunterhaltspflicht des arbeitenden Ehepartners gegenüber. Bis in die jüngste Zeit wird und wurde daher angenommen, der Ersatz des Haushaltsführungsschadens setze das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht voraus. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die nichtehelichen Lebensgemeinschaften sollten hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens im Verletzungsfall den ehelichen Lebensgemeinschaften gleichgestellt werden.
Rz. 222
Die Haushaltstätigkeit für andere ist als geldwerte Leistung anzusehen, deren Ausfall zu einem Erwerbsschaden führen kann. Der Geldwert ergibt sich bei Eheleuten in der Tat daraus, dass in der Hausfrauenehe die Hausfrau ihre Unterhaltspflicht durch die Haushaltsführung, der Ehemann sie durch Bestreitung des Barunterhalts erfüllt. Das heißt aber keineswegs, dass die gesetzliche Verpflichtung der Eheleute, sich einander zu unterhalten, Voraussetzung für die als Erwerbsschaden zu begreifende Einschränkung der Fähigkeit zur Haushaltsführung für andere ist. Einen Verweis auf gesetzlich geschuldeten Unterhalt enthalten die §§ 842, 843 BGB – im Gegensatz zu § 844 Abs. 2 BGB – nicht. Hier knüpft die Ersatzpflicht an die Vereitelung der Entgeltaussicht an. Deshalb wird auch bei Eheleuten nicht darauf abgestellt, welche Haushaltsführung gesetzlich geschuldet gewesen wäre, sondern darauf, welche Leistungen zur Haushaltsführung ohne den Unfall tatsächlich erbracht worden wären. Entscheidend ist, dass die für den Partner erbrachten Dienstleistungen als Äquivalent für dessen Leistungen anzusehen sind. Ein derartiges Äquivalenzverhältnis kann selbstverständlich auch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehen, insbesondere wenn der eine Partner als "Hausfrau/-mann", der andere als "Ernährer" fungiert; dies gilt insbesondere, wenn im Haushalt minderjährige Kinder versorgt und großgezogen werden.
Rz. 223
In der Tat bestehen in zahlreichen Fällen auch in nichtehelichen Lebensgemeinschaften wechselseitige Pflichtenstellungen, die denen in der Ehe – abgesehen vom gesetzlichen Zwang – gleichen. Nach einer verbreiteten Ansicht besteht beim verletzungsbedingten Ausfall des haushaltsführenden Partners ein eigener ersatzpflichtiger Verdienstausfallschaden, wenn derartige Pflichten vertraglich oder jedenfalls durch Absprache begründet werden. Danach kommt es im Fall der Verletzung des Haushaltsführenden in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entscheidend darauf an, ob die Haushaltsführung für die Gemeinschaft aufgrund entsprechender Absprache zum Ausgleich wirtschaftlicher Gegenleistungen erfolgt. Diese...