Rz. 80
Der Geschädigte ist nach § 254 Abs. 2 BGB verpflichtet, die ihm verbliebene Arbeitskraft schadensmindernd einzusetzen. Einkünfte, die bei zumutbarer Bemühung hätten erzielt werden können, sind schadensmindernd zu berücksichtigen. Evtl. muss sich der Geschädigte zur Verbesserung seiner Arbeitsfähigkeit operieren oder zur Verbesserung seiner Aussichten auf dem Arbeitsmarkt umschulen lassen. Es obliegt dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten; diese Verpflichtung setzt aber voraus, dass der Geschädigte überhaupt die Möglichkeit hat, seine verbliebene Arbeitskraft nutzbringend einzusetzen. Ist er wegen seines schadensbedingten körperlichen Zustands nicht mehr vermittlungsfähig, sodass Bemühungen um eine anderweitige Tätigkeit von vornherein aussichtslos sind, kann insoweit keine Eigeninitiative erwartet werden. Auch fehlende Ausbildung, fortgeschrittenes Alter und weitere in der Person des Geschädigten liegende Gründe können der Annahme entgegenstehen, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Betracht gekommen wäre. Unter Umständen ist die Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung in Betracht zu ziehen. Der Geschädigte kann gehalten sein, sich ein Kraftfahrzeug anzuschaffen, wenn er einen ihm angebotenen Arbeitsplatz nur bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs unter zumutbaren Bedingungen erreichen kann. Kann ein Geschädigter allein wegen eines durch einen Arztfehler verursachten Anfallsleidens nicht als Arzt approbiert werden, verstößt er nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein rechtswissenschaftliches Studium beginnt, statt sich um eine auch ohne Approbation zugängliche Arbeitsmöglichkeit zu bemühen.
Rz. 81
Auch der unfallbedingt in den Ruhestand versetzte Beamte ist zur Schadensminderung gehalten, seine restliche Arbeitskraft in zumutbarer Weise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwerten. Eine Anspruchsminderung wegen unterlassener Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft wirkt sich allerdings zunächst zulasten des Dienstherrn aus, auf den die Ersatzansprüche – teilweise – übergegangen sind; denn das Quotenvorrecht des Beamten (vgl. § 76 S. 3 BBG) bewirkt, dass er aus dem Anspruch gegen den Schädiger zunächst seinen nach Zahlung der Pension verbleibenden Schaden decken darf.
1. Pflicht zur Vermeidung selbstschädigenden Verhaltens
Rz. 82
Der Verletzte darf, insbesondere bei einer schwierigen Arbeitsmarktlage, nicht vorschnell den alten Arbeitsplatz aufgeben, auch wenn er unfallbedingt in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist. Größere Unternehmen sind in der Regel in der Lage und auch verpflichtet, den Geschädigten auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz umzusetzen. Evtl. genießt er als Behinderter verstärkten Kündigungsschutz. Er muss selbst darauf hinwirken, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu erhalten.
Rz. 83
Muss der bei einem Verkehrsunfall Verletzte unfallbedingt in einen anderen Beruf wechseln, in dem er dann über viele Jahre tätig ist und mehr verdient als in seiner früheren Stellung, und wechselt er dann aus eigenem Willensentschluss, ohne aufgrund der Unfallverletzungen oder der beruflichen Situation bei seinem neuen Arbeitgeber dazu veranlasst worden zu sein, um sich weiter zu verbessern, erneut den Beruf, dann kann es an einem haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang mit dem Unfallereignis fehlen, wenn er nunmehr berufliche Fehlschläge mit Einkommenseinbußen erleidet.
2. Pflicht, die verbliebene Arbeitskraft zu verwerten
Rz. 84
Es obliegt dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten; die Verpflichtung zur Verwertung der Arbeitskraft setzt allerdings voraus, dass der Verletzte überhaupt die Möglichkeit hat, die verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Notfalls muss der Verletzte auch eine zumutbare andere Arbeit als die ihm infolge ...