Rz. 32
Die Befriedungsgebühr (VV 4141, 5115) entspricht weitgehend dem früheren § 84 Abs. 2 BRAGO. Es wird deshalb bei den gleichen Streitpunkten bleiben, weshalb auf die noch unter Geltung der BRAGO hierzu ergangene Rechtsprechung verwiesen werden kann.
Achtung: Festgebühr?
Umstritten ist, ob es sich dabei um eine Festgebühr handelt (so z.B. OLG Hamburg AGS 2006, 439; KG AG kompakt 2011, 140; LG Saarbrücken NStZ-RR 2015, 264) oder um eine variable (so z.B. LG Leipzig, AGS 2010, 19; LG Oldenburg AGS 2011, 598; AG Neustadt Jur. Büro 2014, 531).
a) Strafsachen
aa) Anregung zur Verfahrenseinstellung
Rz. 33
Bereits die Anregung des Verteidigers, das Verfahren einzustellen, löst die Befriedungsgebühr aus (AG Waldbröl, Beschl. v. 8.12.2017 - 40 Ds - 225 Js 395/16 - 210/16).
bb) Verfahrenseinstellung in der Hauptverhandlung
Rz. 34
Die Zusatzgebühr nach VV 4141 Abs. 1 Nr. 1 fällt nicht an, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt. Dabei spielt keine Rolle, ob die Einstellung am ersten Tag der Hauptverhandlung oder einem späteren Terminstag erfolgt.
Das Entstehen der Gebühr kann weder damit begründet werden, dass so Fortsetzungstermine vermieden wurden, noch damit, dass im Falle der Nichterfüllung der Auflage eine neue Hauptverhandlung anberaumt werden müsste (BGH zfs 2011, 525).
Achtung: Neuer Hauptverhandlungstermin
Wird dagegen die Hauptverhandlung durch Aussetzung des Verfahrens nicht zu Ende geführt, löst die später außerhalb einer neuen Hauptverhandlung erfolgte Einstellung die Gebühr aus (BGH zfs 2011, 525).
cc) Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 1 StPO
Rz. 35
Die Anmerkung Abs. 1 S. 2 Nr. 4 zu VV 4141 stellt das klar, was früher bereits Gerichte (AG Köln DV 2008, 29; AG Darmstadt AGS 2008, 344) entschieden hatten, nämlich dass, wenn der Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze beschränkt wird und das Gericht deshalb antragsgemäß ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheidet, eine zusätzliche Gebühr anfällt.
dd) Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens
Rz. 36
Einer endgültigen Einstellung des Verfahrens steht auch die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 204 Abs. 1 StPO gebührenrechtlich gleich (AG Landstuhl zfs 1995, 471; LG Aurich StraFo 1997, 190; a.A. LG Koblenz AGS 1997, 5).
ee) Anklagerücknahme
Rz. 37
Die Gebühr fällt bereits dann an, wenn die Staatsanwaltschaft die Anklage zurücknimmt und das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einstellt (OLG Düsseldorf StraFo 1999, 68; LG Zweibrücken AGS 2002, 90).
ff) Rücknahme eines Strafbefehls
Rz. 38
Die Befriedungsgebühr entsteht auch dann, wenn aufgrund eines Gespräches des Verteidigers mit dem Staatsanwalt die Sache vereinbarungsgemäß mit einem Strafbefehl abgeschlossen wird.
b) Bußgeldverfahren
aa) Einstellung gemäß § 47 OWiG
Rz. 39
Eine auf § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 OWiG gestützte Verfahrenseinstellung ist keine nur vorläufige Einstellung i.S.d. Befriedungsgebühr (LG Freiburg AnwBl 1998, 486).
bb) Rücknahme oder Korrektur durch die Verwaltungsbehörde
Rz. 40
Die Gebühr kann auch dann anfallen, wenn die Bußgeldbehörde den Bußgeldbescheid (endgültig) zurücknimmt (LG Schwerin zfs 2001, 35; AG Straußberg zfs 2002, 147) oder auf den Einwand des Verteidigers hin auf die gewünschte Höhe reduziert und das Verfahren damit zum Abschluss kommt (AG Freiburg zfs 2002, 298; AG Freiburg AGS 2003, 30).
cc) Einspruchsrücknahme bei der Bußgeldbehörde
Rz. 41
Die Befriedungsgebühr fällt immer dann an, wenn sich ein gerichtliches Verfahren durch die Zurücknahme des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid erledigt, d.h. also auch dann, wenn der Einspruch bereits bei der Bußgeldbehörde zurückgenommen wird (AG Essen zfs 1999, 308; AG Krefeld zfs 2000, 407).
dd) Achtung: Begründeter Einspruch mit Einstellungsantrag
Rz. 42
Reicht der Verteidiger bei Verwaltungsbehörde einen mit dem Antrag das Verfahren einzustellen verbundenen begründeten Einspruch ein, so fällt die zusätzliche Gebühr nach VV 5115 auch dann an, wenn erst später das Amtsgericht das Verfahren einstellt (LG Kiel zfs 2007, 106).
ee) Beschlussverfahren
Rz. 43
Geregelt ist jetzt auch, dass die Befriedungsgebühr anfällt, wenn das Gericht im Bußgeldverfahren per Beschluss gemäß § 72 OWiG entscheidet. Entscheidet es allerdings z.B. im Abwesenheitsverfahren durch Urteil, steht dem Verteidiger nur die Verfahrensgebühr zu.
c) Sowohl für Straf- wie auch für Bußgeldverfahren gültig
aa) 2-Wochen-Frist
Rz. 44
Die Befriedungsgebühr fällt auch dann an, wenn aufgrund der Einspruchsrücknahme eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, unabhängig davon, ob bereits ein Termin anberaumt war oder nicht.
War allerdings ein Hauptverhandlungstermin bereits bestimmt, entsteht die Gebühr nur, wenn der Einspruch mindestens zwei Wochen vor dem vorgesehenen Termin zurückgenommen wird.
Die Gebühr fällt allerdings auch dann an, wenn einem Verlegungsantrag des Verteidigers entsprochen wird und dieser dann den Einspruch (oder die Berufung) vor dem (mindestens zwei Wochen später) anberaumten Termin zurücknimmt (AG Wiesbaden MittBl 2006, 33; AG Saarbrücken AGS 2009, 323) bzw., wenn die Sache vertagt wird und sich mehr als zwei Wochen vor dem erneuten Termin durch anwaltschaftliche Mitwirkung erledigt (AG Köln MittBl 2007, 13).
Praxistipp: Keine Obliegenheit mit der Einspruchsrücknahme abzuwarten
Der Versicherungsnehmer hat keine versicherungsvertragliche Obliegenheit, den Einspruch erst in...