a) Umfang und Schwierigkeit
Rz. 25
Hier ist der Verteidiger gut beraten, wenn er sämtliche Umstände des Einzelfalles detailliert darlegt.
Praxistipp: Gebührenanspruch Vorrang vor Schweigepflicht
Oft kann der Anwalt seine Darlegungslast nur erfüllen, wenn er Dinge vorträgt, die grundsätzlich seiner Schweigepflicht unterliegen. In diesen Fällen gebührt seinem berechtigten Honoraranspruch der Vorrang, so dass er entsprechend vortragen und an sich auch der Schweigepflicht unterliegende Mitarbeiter als Zeugen benennen darf.
Ein umfassender Sachvortrag kann u.U. nämlich ergeben, dass trotz Unterdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien insgesamt dennoch eine durchschnittliche Angelegenheit vorliegt, wie z.B.:
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trotz eines Bußgeldes von lediglich 25 EUR (AG Darmstadt zfs 2003, 466), |
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bei der Überprüfung eines Sachverständigengutachtens zur Geschwindigkeitsmessung (LG Cottbus NZV 2005, 435), |
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bei schwieriger Rechtsmaterie, z.B. Gefahrgutverordnung (LG Koblenz zfs 2004, 332), Verjährungsfragen (LG Bonn AGS 2004, 116) oder Fragen der wirksamen Zustellung (AG Viechtach AGS 2006, 239), |
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bei mehreren Besprechungen (AG Saarbrücken AGS 2006, 126), |
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bei längerer Dauer der Hauptverhandlung - 40 Minuten ausreichend (LG Koblenz zfs 2004, 332; LG Kaiserslautern DAR 2015, 493), wobei bei Verzögerungen die Wartezeit des Anwaltes mitzählt, |
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Ausländer als Mandant (AG Altenburg AGS 2006, 128), |
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Verteidigung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung (AG München DAR 2007, 116), zumal nach der Rechtsprechung des BGH zum standardisierten Messverfahren ein Beweisantrag nur bei Benennung konkret zu benennender Fehlermöglichkeiten zulässig, also umfangreiche Vorarbeiten voraussetzt. |
Achtung: Fachanwaltschaft
Schon das Bestehen einer Fachanwaltschaft zeigt, dass das Verkehrsrecht dem Anwalt Spezialwissen abverlangt (und es auch zur Anwendung kommt), so Gutachten der RAK Düsseldorf MittBl 2006, 37 ff.
b) Bedeutung der Angelegenheit
Rz. 26
Erhebliches Gewicht für die Bestimmung der Höhe hat insbesondere auch die Bedeutung der Sache für den Mandanten:
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Facharzt, mehrere Besprechungen, drohender Punkteintrag, beruflich auf FE angewiesen, 20 % über Mittelgebühr (AG Homburg zfs 2007, 648); |
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berufliches Fortkommen (LG Limburg Jur. Büro 1986, 232); |
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beruflich auf FE angewiesen (AG Rheinbach zfs 2002, 492; AG Viechtach AGS 2007, 83); |
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drohender Eintrag im Gewerbezentralregister (AG Düsseldorf zfs 2004, 86); |
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drohender Eintrag im Verkehrszentralregister (OLG Düsseldorf zfs 1999, 308; LG Wuppertal zfs 2005, 39; AG Frankenthal AGS 2005, 292; AG Saarbrücken MittBl 2005, 141). Das kann selbst bei einem Bußgeld von lediglich 40 EUR bzw. 50 EUR gelten (AG Saarbrücken zfs 2006, 108; AG Rotenburg AGS 2006, 288; AG Eilenburg AGS 2010, 74), zumal die Höhe der Geldbuße nicht viel über die Bedeutung der Sache aussagt (AG Viechtach AGS 2007, 308); |
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Voreintragungen bzw. drohende verwaltungsrechtliche Maßnahmen (AG Stuttgart zfs 1997, 469; LG Würzburg zfs 2003, 363; AG Brilon MittBl 2006, 36); |
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Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers; |
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Präjudiz für zivilrechtliche Regulierung (AG Itzehoe zfs 1993, 207; AG Arnsberg zfs 1993, 243; AG Bochum MittBl 2006, 36), wobei bereits die Höhe des Schadens maßgebendes Indiz für eine durchschnittliche Angelegenheit sein kann (AG Rheinberg MittBl 2006, 34). |
Schließlich kann auch der Erfolg der anwaltschaftlichen Tätigkeit ein zulässiges Bewertungskriterium sein (AG München DAR 2013, 733).
c) Überschreiten der Mittelgebühr
Rz. 27
Ein drohendes Fahrverbot rechtfertigt sogar regelmäßig ein Überschreiten der Mittelgebühr (LG Stralsund zfs 2006, 407; AG Homburg zfs 2007, 648; LG Saarbrücken RVG Report 2013, 53; LG Halle RVG Report 2016, 132), wobei bei einem zweimonatigem Fahrverbot eines selbständigen Architekten sogar ein Überschreiten der Mittelgebühr um 50 % gerechtfertigt sein kann (AG München AGS 2009, 178).
Praxistipp
Kriterien für eine oberhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr, siehe Gutachten der RAK Düsseldorf in MittBl 2006, 37 ff.
d) Toleranzbereich
Rz. 28
Bei der Bestimmung der Gebühren steht dem Verteidiger ein Toleranzbereich zu, in den erst eingegriffen werden darf, wenn er die eigentlich angemessene Gebühr um mehr als 20 % überschreitet (LG Zweibrücken zfs 1992, 172; OLG Düsseldorf AnwBl 1998, 539; AG Saarbrücken zfs 2006, 343; LG Hamburg AGS 2008, 343; AG Rendsburg DV 11, 78; LG Stralsund zfs 2016, 106; AG Arnstadt, Beschl. v. 29.9.2017 - OWi 623/17, juris; LG Itzehoe, Beschl. v. 9.10.2018 - 2 Qs 46/18, juris), wobei für die Beurteilung der Angemessenheit keine Rolle spielt, ob etwa ein Kostenbeamter eine andere als die vom Rechtsanwalt berechnete Gebühr als angemessen erachtet (LG Karlsruhe NZV 1995, 331). Daran hat auch die BGH-Entscheidung (NJW 2011, 1603) zur Angemessenheit der Regelgebühr in Verkehrsunfallsachen nichts geändert.
Im Hinblick auf den erweiterten Rahmen des RVG wird jetzt auch die Auffassung vertreten, der Toleranzbereich betrage 30 % (AG Limburg Der Verkehrsanwalt 2009, 86).
Achtung: Ermessen muss ausgeübt werden
Voraussetzung ist aber, dass der Anwa...