Rz. 395
In Fällen, in denen ein Minderjähriger Vorerbe ist, sind häufiger Geschwister des Minderjährigen oder die (auch ungeborenen) Kinder des Minderjährigen, selten einmal die Eltern des Minderjährigen, die Nacherben.
Rz. 396
Hinzuweisen ist auf die Überlagerung familienrechtlicher und erbrechtlicher Vorschriften. Welche Vorschriften dominieren hängt davon ab, welche die spezielleren sind. Gemäß § 2113 Abs. 3 BGB kann der Vorerbe nicht wirksam unentgeltlich über einen zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstand verfügen; anders aber, wenn der Nacherbe zustimmt. Eltern hingegen können als gesetzliche Vertreter im Namen des Kindes keine Schenkungen aus dem Vermögen des Kindes machen, ausgenommen Anstandsschenkungen (§ 1641 BGB). Kinder als Vorerben können – auch nicht mit Zustimmung der Eltern – keine Geschenke machen, das wird allgemein aus § 1641 BGB gefolgert. Ist der Minderjährige Vorerbe, so kann sein gesetzlicher Vertreter – auch nicht mit Zustimmung des Nacherben – eine Schenkung vornehmen; die familienrechtliche Vorschrift ist vorrangig.
Rz. 397
Gemäß § 2119 BGB hat der Vorerbe Geld, das anzulegen ist, nach den Regeln für die Anlegung von Mündelgeld anzulegen. Eines gesonderten "Verlangens" (vgl. Rdn 392) bedarf es nicht – anders als nach § 2116 BGB. Eltern sind nach § 1642 BGB freier gestellt: Sie können das Geld des Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anlegen. Ist der Minderjährige Vorerbe, so muss sein gesetzlicher Vertreter Geld nach den Regeln des § 2119 BGB anlegen, weil dies die speziellere Vorschrift ist. Tut er das nicht, so wird an ein Eingreifen des Familiengerichts zu denken sein; es wird auf Rdn 391 verwiesen.
Rz. 398
Der Vorerbe ist Erbe auf Zeit und ist während dieser Zeit grundsätzlich allein und selbstständig zur Verwaltung des Nachlasses befugt. Dabei vertreten Eltern ihr minderjähriges Kind. Zu einer Reihe von Rechtsgeschäften bedürfen die Eltern der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643, 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB); vertritt ein Vormund/Pfleger das Kind, so gelten §§ 1915, 1806 ff., 1821, 1822 BGB. Diese Genehmigungserfordernisse bestehen auch dann, wenn der minderjährige Vorerbe ein Rechtsgeschäft tätigt, das unter die genannten Vorschriften fällt; die Zustimmung des Nacherben macht das Erfordernis der Genehmigung des Familiengerichts nicht entbehrlich.
Rz. 399
Ist der Minderjährige Vorerbe und ein Elternteil Nacherbe, der zugleich gesetzlicher (Mit-)Vertreter des Minderjährigen ist, dann ist § 181 BGB zu beachten: Grundsätzlich können Eltern in einem solchen Falle gemäß § 181 BGB nicht für den Vorerben gegenüber dem Nacherben handeln, es bedarf der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 BGB. Immerhin könnte man an eine Ausnahme im Fall des § 2120 BGB denken. Nach dieser Vorschrift muss der Nacherbe dem Vorerben "seineEinwilligung" zu einer Verfügung erteilen, wenn diese Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, erforderlich ist. Man könnte nun annehmen, dass die Einwilligung, die der Nacherbe/Elternteil dem Vorerben/Kind durch In-Sich-Geschäft erteilt, der Erfüllung einer Verbindlichkeit im Sinne des § 181 BGB dient, so dass das In-Sich-Geschäft gestattet ist. Dieser Auffassung kann indes nicht zugestimmt werden. In aller Regel gibt es mehrere Möglichkeiten für den Vorerben zum Handeln: Braucht der Vorerbe Geld, um Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen, so können Aktien veräußert werden oder es kann ein Grundstück mit einer Grundschuld zur Absicherung eines Darlehens belastet werden, wozu die Zustimmung des Nacherben gem. § 2113 Abs. 1 BGB erforderlich ist. Bestehen aber für den Vorerben mehrere Möglichkeiten zum Handeln, dann erfolgt die Einwilligung des Nacherben nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit; § 181 BGB ist insofern einschränkend zu interpretieren. Die Gegenansicht besagt: Hat der Vorerbe sich für eine Maßnahme im Rahmen des § 2120 BGB entschieden, so entfällt jene Unsicherheit und die Einwilligung erfolgt in Erfüllung einer Verbindlichkeit. Danach bedarf es keiner Pflegerbestellung.
Rz. 400
"Einwilligung" im Sinne des § 2120 BGB wird allgemein als "Zustimmung" im Sinne der §§ 182 ff. BGB verstanden. Will ein minderjähriger Vorerbe ein Nachlassgrundstück mit einer Grundschuld belasten (§ 2113 Abs. 1 BGB), so kann der Nacherbe seine Zustimmung zum dinglichen Vertrag der Grundschuldbestellung entweder dem Vorerben oder dem Grundschuldberechtigten gegenüber erklären (§ 182 Abs. 1 BGB).
Ist Nacherbe der gesetzliche Vertreter, z.B. ein Elternteil, und erteilt er dem Vorerben seine Zustimmung, so handelt es sich im ersten Falle nach dem Wortlaut des § 181 BGB um ein In-Sich-Geschäft des gesetzlichen Vertreters; es ist eine Pflegerbestellung notwendig. Im letztgenannten Fall gilt: Erteilt der Nacherbe seine Zustimmung dem Grundschuldgläubiger gegenüber, so wird teilweise die Auffassung vertreten, hier liege kein In-Sich-Geschäft vor, darum sei § 181 BGB ...