Rz. 388
Gemäß § 2116 BGB hat der Vorerbe "auf Verlangen" des Nacherben zum Nachlass gehörende Inhaberpapiere und gewisse Orderpapiere und Erneuerungsscheine zu hinterlegen. Dieses Verlangen übt der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Nacherben aus.
Das Verlangen stellt sich als eine geschäftsähnliche Handlung dar (siehe Rdn 384), auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechende Anwendung finden. Damit würde auch § 111 BGB – einseitige Rechtsgeschäfte bedürfen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters – entsprechend anwendbar sein. Aber die Vorschrift des § 111 BGB wird einengend dahin ausgelegt, dass sie nicht anwendbar ist, wenn das einseitige Rechtsgeschäft dem Minderjährigen – entsprechend § 107 BGB – nur einen rechtlichen Vorteil bringt. Da das Verlangen dem Minderjährigen nur einen rechtlichen Vorteil bringt – die Hinterlegung dient nur seinem Schutz vor unberechtigten Verfügungen des Vorerben –, kann der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige selbst das Verlangen äußern (§ 107 BGB). Zum Fall der Untätigkeit des Vorerben-Elternteils siehe Rdn 384.
Rz. 389
Ist der Vorerbe zugleich Elternteil des minderjährigen Nacherben, dann kann dieser selbstverständlich die Inhaberpapiere und Orderpapiere gemäß § 2116 BGB hinterlegen. Wie nun, wenn der Vorerbe – z.B. die Mutter – nicht daran denkt, die Papiere zu hinterlegen, der andere Elternteil, z.B. der von der Mutter getrennt lebende Vater, dies aber will (siehe Rdn 384)? In Betracht kommt die Einschaltung des Familiengerichts nach § 1628 BGB, also streitschlichtend tätig zu sein. Auch an die Anordnung zur Hinterlegung auf Anregung des Elternteils gemäß § 1667 BGB ist zu denken. Schließlich kommt auch die Einsetzung eines Ergänzungspflegers in Betracht: Kein Elternteil kann sich selbst gegenüber das Verlangen nach § 2116 BGB äußern, weil das ein In-Sich-Geschäft (§ 181 BGB) ist, auch wenn auf einen Seite – wie im Beispiel – nur der Vater das Verlangen äußert, auf der anderen Seite nur die Mutter als Vorerbin steht. Der das Verlangen äußernde Vater ist nur neben der Mutter vertretungsberechtigt, so dass er auch vom Verbot des In-Sich-Geschäfts betroffen ist. Da keiner gesetzlichen Pflicht mit der Hinterlegung entsprochen wird, handelt es sich nicht um eine Erfüllung einer Verbindlichkeit im Sinne des § 181 BGB. Also sind beide Elternteile insoweit an der Vertretung ihres Kindes gemäß § 181 BGB verhindert. Deshalb kann der Vater anregen, dass insoweit ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB bestellt wird, ohne dass es eines Entzugs der elterlichen Sorge bedürfte (siehe Rdn 385). Hinsichtlich des Verlangens auf Umschreibung der Inhaberpapiere nach § 2118 BGB gilt das Entsprechende.
Der Minderjährige selbst könnte auch das Verlangen geltend machen, wenn er die beschränkte Geschäftsfähigkeit besitzt (siehe Rdn 385).
Rz. 390
Ist z.B. der Großvater Vorerbe, dessen Enkel Nacherbe, so ist daran zu denken, dass die Eltern des Kindes nach §§ 1629, 1795 BGB gehindert sein könnten, das Verlangen nach Hinterlegung gemäß § 2116 BGB gegenüber dem Großvater/Vorerben zu stellen und durchzusetzen. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB findet keine Anwendung, wenn es nur um einen rechtlichen Vorteil (§ 107 BGB) des Vertretenen geht (siehe Rdn 124). Der Elternteil kann als gesetzlicher Vertreter seines Kindes (zusammen mit dem anderen Elternteil) das Verlangen auf Hinterlegung der Inhaber- und Orderpapiere seines Elternteils geltend machen, ohne durch § 1795 BGB gehindert zu sein.
Rz. 391
Wie nun, wenn der gesetzliche Vertreter als Vorerbe die Papiere (siehe Rdn 389) nicht hinterlegt oder von seinen Eltern (siehe Rdn 390) die Hinterlegung nicht verlangt: Muss dann das Familiengericht v.A.w. eingreifen? Das Familiengericht weiß von der Nacherbschaft des Minderjährigen in den Fällen, in denen das Nachlassgericht gemäß § 356 Abs. 1 FamFG (= § 74a FGG) über das nach § 1640 BGB geschuldete Nachlassverzeichnis (siehe Rdn 156) dem Familiengericht Mitteilung macht. Genauere Angaben über die Zusammensetzung des Nachlasses ergibt das Vermögensverzeichnis gem. § 1640 BGB (siehe Rdn 139), das das Familiengericht anfordern, notfalls gemäß § 1640 Abs. 3 BGB erzwingen wird. Im Interesse des minderjährigen Nacherben wird das Familiengericht sich in angemessener Zeit danach erkundigen, ob der Vorerbe nach den §§ 2116 ff. BGB vorgegangen ist.
Ist das nicht der Fall, so könnte das Familiengericht daran denken, einen Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB einzusetzen (vgl. Rdn 389), der das Verlangen, z.B. gemäß § 2116 BGB auf Hinterlegung der Wertpapiere, ausübt: Die Eltern sind verhindert, das Verlangen auf Hinterlegung (§ 2116 BGB) auszuüben, weil dem § 181 BGB entgegensteht (siehe Rdn 384). Dies würde genügen, einen Ergänzungspfleger zu bestellen, würde aber nicht genügen, gegen die Eltern vorzugehen. Deshalb ist es auch notwendig, zunächst den Eltern gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB, insoweit es um die Frage nach Sicherung der Rechte des Nacherben geht, die Vermögenssorge zu entzie...