Dr. Heribert Heckschen, Dr. Matthias Kreußlein
Rz. 74
Nach § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag vom Vorstand ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt werden. Aus Sicht der abhängigen Gesellschaft liegt ein solcher insbesondere vor, wenn die Obergesellschaft voraussichtlich nicht mehr leistungsfähig ist (Abs. 1 Satz 2) und ihrer Verlustübernahmepflicht nicht nachkommen wird. Der Kündigende braucht nicht bis zum tatsächlichen Leistungsausfall, d.h. bis zur Entstehung des Verlustübernahmeanspruchs am Bilanzstichtag zu warten, sondern kann bereits bei Ausfall oder Stockung einer unterjährigen Abschlagszahlung auf den Verlustausgleich vom Eintritt der Leistungsunfähigkeit ausgehen.
Das Registergericht kann die Eintragung der Kündigung aber ablehnen, wenn ihm Anhaltspunkte vorliegen, dass kein wichtiger Grund vorliegt. Hierbei hat es ein materielles Prüfungsrecht bzgl. der Wirksamkeit der Kündigung. Die herrschende Gesellschaft wird die fehlende Leistungsfähigkeit ohnehin nur selten zum Anlass nehmen können, da die wirtschaftliche Verantwortung weitgehend bei ihr liegt und insofern häufig selbst verschuldet ist, jedenfalls aber in ihrer Risikosphäre liegt. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird in diesen Fällen daher nur dann vorliegen, wenn die Existenz der Obergesellschaft gefährdet erscheint.
Rz. 75
Die Veräußerung der Beteiligung durch das herrschende Unternehmen beendet den Unternehmensvertrag nicht automatisch. Es ist umstritten, ob die Veräußerung einen wichtigen Grund darstellt. Zwar wird in der Praxis regelmäßig eine Beteiligung des anderen Vertragsteils bestehen. Gesellschaftsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Beteiligung jedoch nicht, mag auch die finanzielle Eingliederung nach § 14 Abs. Nr. 1 Satz 1 KStG beseitigt werden. Aus diesem Grund wird ein Kündigungsrecht überwiegend verneint. Die herrschende Gesellschaft könnte andernfalls durch entsprechende Anteilsveräußerung beliebig die Beendigung eines Unternehmensvertrages herbeiführen. Nach Ansicht des BGH ist es der Obergesellschaft jedenfalls nicht unzumutbar, einen Ergebnisabführungsvertrag bis zum Jahresende fortzuführen, wenn die Anteile innerhalb eines Konzerns übertragen werden. Es wird in diesen Fällen aber teilweise ein Kündigungsrecht der abhängigen Gesellschaft befürwortet, da mit Veräußerung der Geschäftsanteile die Geschäftsgrundlage entfalle. Aus steuerrechtlicher Perspektive liegt bei Veräußerung der Organbeteiligung durch den Organträger gem. R 14.5 Abs. 6 Satz 2 KStG 2015 aber immerhin ein wichtiger Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vor, sofern die Veräußerung nicht bereits bei Abschluss des Vertrages feststand.
Rz. 76
Es ist zulässig, konkrete wichtige Gründe vertraglich zu vereinbaren. Nach Ansicht des BGH können dabei auch solche Gründe vereinbart werden, die von den Parteien selbst herbeigeführt werden, ohne dass es dabei auf die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ankommt. Es ist aber zu beachten, dass auch aus steuerrechtlicher Perspektive ein wichtiger Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG vorliegt, da andernfalls die Organschaft durch die Kündigung innerhalb der Mindestlaufzeit als unwirksam anzusehen ist (R 14.5. Abs. 6 Satz 4 KStG 2015). Die Finanzverwaltung hat nur einige wenige solcher wichtigen Gründe anerkannt, namentlich die Veräußerung oder Einbringung der Organbeteiligung durch den Organträger, der Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft (R 14.5. Abs. 6 Satz 2 KStG 2015). Widerspricht der vereinbarte (wichtige) Kündigungsgrund dem steuerrechtlichen Verständnis in § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG, steht dies der steuerlichen Anerkennung entgegen. Der Eintritt des wichtigen Grundes darf bei Abschluss nicht bereits feststehen (R 14.5. Abs. 6 Satz 3 KStG 2015); das gilt auch für die fehlende Leistungsfähigkeit der Obergesellschaft im Hinblick auf ihre Verlustausgleichspflicht.
Rz. 77
Sieht der Unternehmensvertrag ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund für den Fall der Insolvenz eines Vertragsbeteiligten vor, dürfte dies aus steuerrechtlicher Sicht aber unschädlich sein. Aus Sicht des BFH endet die für die Anerkennung einer Organschaft notwendige organisatorische Eingliederung bereits mit Anordnung einer (sogar vorläufigen) Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Organträgers. Die Aufnahme eines Sonderkündigungstatbestandes für den Fall der Insolvenz ist aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive jedenfalls angezeigt, da nach wie vor unklar ist, ob der Unternehmensvertrag automatisch endet. Das OLG Düsseldorf hat zuletzt eine automatische Beendigung im Insolvenzfalls (allerdings nur bei Eigenverwaltung) verneint.
Rz. 78
Die Zustimmung der Hauptversammlung der AG zur Kündigung ist nicht erforderlich. Es handelt sich um eine reine Geschäftsleitungsmaßnahme. Für die GmbH als Untergesellschaft hat der BGH jedoch entschieden, dass die Wirksamkeit der ordentlichen Kündig...