Dr. Heribert Heckschen, Dr. Matthias Kreußlein
Rz. 95
Die Hauptversammlungen beider Gesellschaften müssen über die Eingliederung beschließen. Auch wenn der Gesetzeswortlaut von einem Zustimmungsbeschluss zum Eingliederungsbeschluss der einzugliedernden Gesellschaft spricht, ist es unerheblich, in welcher Reihenfolge die Beschlüsse gefasst werden.
aa) Auskunftsrecht
Rz. 96
§ 319 Abs. 3 Satz 5 AktG sieht zugunsten der Aktionäre ein Auskunftsrecht vor. Sie können in der Hauptversammlung, die über die Eingliederung beschließen soll, Auskunft über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft verlangen. Die Norm entspricht in etwa § 293g Abs. 3 AktG. Das Auskunftsrecht der Aktionäre steht im Spannungsverhältnis zum Interesse der Gesellschaft, insb. unternehmerisch relevante Informationen zurückzuhalten. Fraglich ist daher inwieweit das allgemeine Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG auch i.R.d. Auskunftsanspruches nach § 319 Abs. 3 AktG Anwendung findet. Vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks des Auskunftsanspruchs aus § 319 Abs. 3 AktG dürften in Gesamtanalogie zu § 8 Abs. 2 UmwG und § 293a Abs. 2 AktG auf keinen Fall Auskünfte über das Bestehen von Altverbindlichkeiten bei der einzugliedernden Gesellschaft verweigert werden.
bb) Vorstandsbericht
Rz. 97
Der Vorstand hat gem. § 293g Abs. 2 AktG den Abschluss eines Unternehmensvertrages zu Beginn der Hauptversammlung mündlich zu erläutern. Die Niederschrift hierüber ist als Anlage dem Hauptversammlungsprotokoll beizufügen. § 64 Abs. 1 Satz 2 UmwG enthält eine vergleichbare Vorschrift. Für die Eingliederung hat das AktG keine Berichtspflicht vorgesehen. Das wird als Redaktionsversehen gewertet und eine Erläuterung für erforderlich gehalten. Fehlt es hieran, soll der Zustimmungsbeschluss anfechtbar sein. Auf die Berichterstattung muss aber dann konsequenterweise in entsprechender Anwendung des §§ 64 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 8 Abs. 3 UmwG verzichtet werden können.
cc) Beschlussfassung bei der einzugliedernden Gesellschaft
Rz. 98
Nicht nur die Hauptversammlung der Hauptgesellschaft muss einen Beschluss über die Eingliederung fassen, sondern gem. § 319 Abs. 1 Satz 1 AktG auch die Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft. Obwohl die Hauptgesellschaft einziger Aktionär ist, verlangt das Gesetz eine formelle Beschlussfassung. Hintergrund ist der Grundlagencharakter der Eingliederung, mit der die rechtliche Stellung der Gesellschaft bzw. der Unternehmenszweck geändert wird. Die Gesellschaft hört auf, als eigenständige Gesellschaft zu existieren, und richtet ihr Handeln vollständig nach dem Willen der Hauptgesellschaft aus.
Dem Beschluss kommt jedoch keinerlei praktische Bedeutung zu. Da die Hauptgesellschaft zu 100 % an der Tochtergesellschaft beteiligt ist, übt der Vorstand der Hauptgesellschaft die Stimmrechte in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft aus. Im Ergebnis handelt es sich um eine Erklärung des Vorstandes der Hauptgesellschaft, die er in vertretungsberechtigter Anzahl abzugeben hat.
Rz. 99
Die formellen Anforderungen an die Wirksamkeit des Beschlusses sind gering, da es sich stets um eine Vollversammlung i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG handelt. Verstöße gegen die förmlichen Beschlussvoraussetzungen sind mithin unerheblich. Zudem sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nach § 319 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht anzuwenden. Damit liegen die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG vor, d.h. der Beschluss ist nicht zu beurkunden und kann privatschriftlich protokolliert (und muss vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates unterzeichnet) werden, sofern die einhundertprozentige Tochtergesellschaft nicht ausnahmsweise börsennotiert ist.
dd) Zustimmungsbeschluss bei der Hauptgesellschaft
Rz. 100
Gem. § 319 Abs. 2 AktG wird der Beschluss über die Eingliederung nur wirksam, soweit die Hauptversammlung der Hauptgesellschaft der Eingliederung zustimmt. Der Beschluss der eingegliederten Gesellschaft ist solange schwebend unwirksam.
§ 319 Abs. 2 AktG sieht für den Beschluss eine Mehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals vor. Die Satzung kann auch größere Beschlussmehrheiten vorsehen. Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Vorstand der Hauptgesellschaft nicht im Alleingang die Eingliederung der Tochtergesellschaft vollziehen können soll. Weitere Bestimmungen der Satzung oder gesetzlich...