Dr. Heribert Heckschen, Dr. Matthias Kreußlein
Rz. 89
Die Eingliederung kann im Grundfall des § 319 AktG nur dann vorgenommen werden, wenn die künftige Hauptgesellschaft Alleingesellschafter der eingegliederten Gesellschaft ist. Besitzt die Hauptgesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht alle Aktien, ist der Beschluss nichtig; verliert sie die Stellung als Alleinaktionär vor der Eintragung, darf die Eingliederung nicht eingetragen werden, da mit § 327 Abs. 1 Nr. 3 AktG ein Beendigungsgrund vorliegt.
1. Sitz im Inland
Rz. 90
§ 319 Abs. 1 AktG schreibt vor, dass die Hauptgesellschaft ihren Sitz im Inland haben muss. Diese Voraussetzung gilt auch für die einzugliedernde Gesellschaft. Dies ist insoweit eine zwingende Voraussetzung, weil andernfalls nicht das deutsche Recht auf die einzugliedernde Gesellschaft Anwendung fände.
Das Sitzerfordernis ist erfüllt, wenn der Satzungssitz (§ 5 AktG) im Inland liegt. Der Verwaltungssitz kann im Ausland liegen. Es wird überwiegend die Ansicht vertreten, eine Eingliederung in eine (Haupt-)Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die strukturell der deutschen AG vergleichbar ist, sei jedenfalls dann zulässig, wenn die Regelungen über den Gläubiger- und (bei der Mehrheitseingliederung) Minderheitenschutz im Ausland denen des deutschen Rechts vergleichbar seien, was angesichts der Vereinheitlichung und Rechtsangleichung auf EU-Ebene kaum außer Frage stehen kann. Anknüpfungspunkt ist die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV), deren Anwendungsbereich nach dem Verständnis des EuGH sehr weit gefasst ist. So fallen hierunter alle Maßnahmen, die den Zugang zu einem anderen Staat als dem Sitzstaat der Gesellschaft als Voraussetzung haben, die die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen oder auch nur erleichtern. Darunter dürfte dann aber auch die Eingliederung als Möglichkeit zur Konzernbildung fallen. Umgekehrt sollen solche Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat als eingegliederte Gesellschaften beteiligt werden können.
2. Ablauf
a) Vorbereitung
Rz. 91
Die Eingliederung setzt zunächst einen Hauptversammlungsbeschluss der Hauptgesellschaft voraus. Der Vorstand soll eine Eingliederung nicht ohne Beteiligung der Aktionäre vornehmen können, da hiermit auch Risiken für die Hauptgesellschaft (Haftung für Altverbindlichkeiten gem. § 322 AktG und Verlustübernahme gem. § 324 Abs. 3 AktG) verbunden sind. Zum Schutz der Aktionäre der Hauptgesellschaft ist diesen vor Beschlussfassung
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gem. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 AktG der Entwurf des Beschlusses, die Jahresabschlüsse und Lageberichte der einzugliedernden Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre offenzulegen, |
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gem. § 319 Abs. 3 Nr. 3 AktG ein Eingliederungsbericht zu erstatten und |
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gem. § 319 Abs. 3 Satz 5 AktG Auskunft über alle wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft zu geben. |
Die Informationspflichten dienen nur dem Schutz der Aktionäre der Hauptgesellschaft. Die Aktionäre bzw. der einzige Aktionär der Tochtergesellschaft ist die Hauptgesellschaft. Sie ist nicht schutzwürdig.
aa) Entwurf des Eingliederungsbeschlusses
Rz. 92
Der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft muss einen Beschlussentwurf als Grundlage der Beschlussfassung erstellen. Der Text wird i.d.R. sehr kurz ausfallen, da er nur eine Erklärung über die Eingliederung der 100 %igen Tochtergesellschaft enthält.
bb) Eingliederungsbericht
Rz. 93
§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AktG verlangt – im Gegensatz zur Verschmelzung – auch bei der Eingliederung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft die Erstellung eines Eingliederungsberichts durch den Vorstand der Hauptgesellschaft vor. Die Vorschrift entspricht § 293a AktG bzw. § 8 UmwG. Ein mit § 8 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 UmwG vergleichbarer Ausnahmetatbestand existiert nicht. Gegenstand des Berichts ist nur die Eingliederung an sich. Inhaltlich muss der Bericht den mit der Eingliederung verfolgten Zweck und alternative Möglichkeiten darstellen sowie die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Der Vorgang ist den Aktionären der künftigen Hauptgesellschaft in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu erläutern und zu begründen. Die Aktionäre der Hauptgesellschaft müssen sich eine fundierte Meinung über die Eingliederung bilden können. Ihnen sind insbesondere die Risiken und Vorteile wie auch die wesentliche Rechtsfolge der Eingliederung darzustellen, nämlich die gesamtschuldnerische Haftung der Hauptgesellschaft gem. § 322 AktG für die Verbindlichkeiten der einzugliedernden AG.
Ein fehlerhafter Bericht führt zur Anfechtbarkeit des Eingliederungsbeschlusses (§ 243 Abs. 4 Satz 1 AktG). Der Feh...