Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
Rz. 106
Wenn der Erbe oder die Miterben vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Nachlass
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Pflichtteilsansprüche, |
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Vermächtnisse oder |
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Auflagen |
erfüllt hatten, so sind diese Rechtshandlungen anfechtbar wie unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO) des Erben, es sei denn, es liegt ein Fall des § 1979 BGB vor.
Rz. 107
§ 322 InsO sieht einen besonderen Anfechtungstatbestand für das Nachlassinsolvenzverfahren vor. Hat der Erbe vor der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens aus dem Nachlassvermögen Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so sind diese Rechtshandlungen nach § 322 InsO in der gleichen Weise insolvenzrechtlich anfechtbar wie eine unentgeltliche Leistung des Erben, da die Empfänger dieser Leistungen zu den nachrangigen Insolvenzgläubigern gehören und nicht bessergestellt werden sollen als der Erbe selbst, § 327 InsO. § 322 InsO ist ein eigenständiger Anfechtungstatbestand.
Rz. 108
Dies ist dann gegeben, wenn der Erbe bei der Erfüllung dieser Verbindlichkeiten nach eingehender Prüfung des Nachlasses davon ausgehen konnte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreichen wird.
Rz. 109
Die Anforderungen an die Prüfungspflicht sind hoch. Der Erbe muss
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den Nachlass sichten, |
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Unterlagen durcharbeiten, |
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die Aktiva und Passiva des Nachlasses erfassen, die Aktiva bewerten und |
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ggf. ein Inventar erstellen. |
Rz. 110
Der Erbe hat bei der Prüfung entsprechende Aufzeichnungen anzufertigen, um nachzuweisen, dass er davon ausgehen konnte, dass der Nachlass nicht überschuldet ist.
Wenn der Erbe seine Prüfungspflicht verletzt hat und er somit nicht davon ausgehen konnte, dass der Nachlass für alle Verbindlichkeiten ausreicht, besteht neben dem Anfechtungsrecht des Nachlassinsolvenzverwalters alternativ nach § 1978 BGB eine Schadensersatzpflicht des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern.
Rz. 111
Gemäß § 322 InsO werden diese Ansprüche einer unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 InsO gleichgestellt. Bei den drei genannten Ansprüchen handelt es sich um nachrangige Verbindlichkeiten gemäß § 327 InsO.
Rz. 112
Bei Bargeldgeschäften, die zu einem angemessenen Preis erfolgen, wird keine objektive Gläubigerbenachteiligung nach § 142 InsO angenommen, weil insoweit die weggegebene Leistung durch die empfangene Gegenleistung wieder ausgeglichen wird. Eine Ausnahme gilt nur bei vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO).
Rz. 113
Praxishinweis
Der Insolvenzverwalter muss prüfen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dem weggegebenen Vermögenswert und einer schlechteren Quote für die Insolvenzgläubiger in der Schlussverteilung nachgewiesen werden kann; dann liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor.