Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
Rz. 35
Das Gesetz kennt drei Insolvenzeröffnungsgründe (§ 320 InsO):
I. Insolvenzgründe
1. Überschuldung, § 19 Abs. 2 InsO
Rz. 36
Gemäß § 320 S. 1 InsO ist die Überschuldung Eröffnungsgrund.
Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das vorhandene Nachlassvermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wenn also das Aktivvermögen kleiner ist als die auf der Passivseite ausgewiesenen Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 325 InsO.
Nachlassverbindlichkeiten sind auch die Erbschaftsteuer nach § 9 ErbStG und das Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB.
Rz. 37
Es ist also eine Gegenüberstellung der Aktiva und der Passiva des Nachlasses vorzunehmen. Zu den Aktiva gehören die nach §§ 1976, 1977 BGB wiederauflebenden Rechte sowie Ansprüche gegen den Erben aus §§ 1978, 1979 BGB. Die Aktiva sind mit dem Liquidationswert anzusetzen. Zu den Passiva gehören grundsätzlich alle Nachlassverbindlichkeiten.
Rz. 38
Bei der Ermittlung der Überschuldung des Nachlasses sind neben den Masseverbindlichkeiten nach § 334 InsO alle in §§ 325 ff. InsO genannte Verbindlichkeiten, somit auch Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteilsansprüche, zu berücksichtigen. § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB ist etwas missverständlich. Eine Insolvenzantragspflicht besteht dann nicht, wenn die Überschuldung sich nur durch Vermächtnisse und Auflagen ergibt.
Rz. 39
Beispiel 1
Der Nachlass des Erblassers E besteht aus 10.000 EUR Bankguthaben und 10.000 EUR Mietschulden sowie in Höhe von 10.000 EUR Kfz-Reparaturkosten. In diesem Fall muss der Erbe einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen.
Beispiel 2
Der Nachlass des Erblassers E besteht aus 10.000 EUR Bankguthaben und 9.000 EUR Mietschulden. Zugunsten des Dackelvereins e.V. ist der Erbe mit einem Vermächtnis i.H.v. 5.000 EUR belastet. In diesem Fall kann der Erbe einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen, muss dies jedoch nicht.
Rz. 40
Für die Begründetheit des Antrags ist die Überschuldungsbilanz maßgebend, d.h. Passiva höher als die Aktiva.
Praxishinweis
Bei der Berechnung der Überschuldung des Nachlasses sind neben den Masseverbindlichkeiten nach § 334 InsO alle in § 325 InsO genannten Verbindlichkeiten, also auch Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteilsansprüche, zu berücksichtigen.
2. Zahlungsunfähigkeit, § 17 Abs. 2 InsO i.V.m. § 320 InsO
Rz. 41
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllt werden, § 17 Abs. 2 S. 1 InsO. Ganz geringfügige Liquiditätslücken sind unbeachtlich. Zahlungsunfähigkeit ist i.d.R. anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, § 17 Abs. 2 S. 2 InsO. Dabei ist stets auf den Nachlass und nicht auf das Eigenvermögen des Erben abzustellen. Bei der Zahlungsunfähigkeit ist nur auf die Liquidität des Nachlasses abzustellen. Eine bloß vorübergehende Zahlungsunfähigkeit im Sinne einer bloßen Zahlungsstockung ist noch kein Eröffnungsgrund.
Rz. 42
Uneinigkeit besteht in der Rechtsprechung darüber, wie hoch die Quote der nicht bezahlten Verbindlichkeiten zu sein hat. Teilweise wird eine Quote von unter 5 % als ausreichend angenommen, teilweise von über 10 %, im Einzelfall jedoch sogar über 10 % nicht unbedingt, sofern nämlich absehbar ist, dass zeitnah bezahlt wird. Zahlungsunfähigkeit ist auf jeden Fall anzunehmen, wenn der Nachlass nicht mehr in der Lage ist, mehr als 20 % der fälligen Verbindlichkeiten binnen zweier Monate zu begleichen.
3. Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 Abs. 2 InsO
Rz. 43
Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist ebenfalls ein Grund für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, § 320 S. 2 InsO; sie begründet jedoch keine Antragspflicht. Das Antragsrecht steht nicht den Gläubigern zu. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist i.d.R. durch einen Insolvenzplan für einen Prognosezeitraum von mindestens einem Jahr die Liquiditätslücke aufzuzeigen. Dem Schuldner droht Zahlungsunfähigkeit, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen, § 18 Abs. 2 InsO. Es wird somit auf noch nicht fällige Verbindlichkeiten abgestellt, während bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) auf fällige Forderungen abgestellt wird.
4. Besondere Fälle
Rz. 44
Aufgrund der Universalsukzession gehen Unterlassungs- und Störungsbeseitigungspflichten, die sich gegen den Erblasser richteten, auf die Erben über. Die öffentlich-rechtliche Altlastenhaftung nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz wird auf den Nachlass begrenzt, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Dasselbe gilt für Ansprüche aus § 836 B...