Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
1. Antragspflicht des Erben und des Nachlassverwalters
Rz. 22
Der Erbe und der Nachlassverwalter sind gem. §§ 1980 Abs. 1, 1985 Abs. 2 BGB verpflichtet, unverzüglich Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen, sobald sie Kenntnis erlangt haben, dass der Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet ist, § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB. Es handelt sich um eine materiellrechtliche Antragspflicht gegenüber den Gläubigern, die nicht einklagbar ist, sondern die Verletzung der unverzüglichen Antragspflicht lediglich Schadensersatzansprüche auslösen kann.
Rz. 23
Die Zahlungsunfähigkeit kann sich auch noch Monate nach dem Erbfall ergeben, wenn z.B. Nachschüsse aus Fondsbeteiligungen fällig werden bzw. Forderungen von Seiten des Finanzamtes (z.B. bis dato nicht steuerlich erfasste Spekulationsgewinne des Erblassers), der Antrag ist unverzüglich zu stellen § 121 Abs. 1 S. 1 BGB.
2. Antragspflicht des Nachlasspflegers/Testamentsvollstreckers
Rz. 24
Weder der Nachlasspfleger noch der Testamentsvollstrecker sind verpflichtet, Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker sind jedoch gegenüber dem Erben verpflichtet, bei erkennbarer Überschuldung des Nachlasses von ihrem Antragsrecht Gebrauch zu machen, andernfalls machen sie sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig § 826 BGB.
3. Rechtsfolgen der Verletzung der Antragspflicht
Rz. 25
Der Kenntnis der Überschuldung steht die fahrlässige Unkenntnis gleich, § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB. Fahrlässigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Erbe das Aufgebotsverfahren der Nachlassgläubiger nicht beantragt, obwohl es sich ihm aufdrängte, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn sich in den Nachlassunterlagen zahlreiche Mahnungen befinden, Lastschriften mangels Rechnung zurückgegangen sind und nach dem Erbfall Rechnungen, Mahnungen u.a. eingehen. Das Aufgebotsverfahren ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Kosten des Verfahrens gegenüber dem Nachlassbestand unverhältnismäßig hoch sind, § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB.
Rz. 26
Die Kosten des Aufgebotsverfahrens steigen um die Zustellkosten bei den jeweils angegebenen potenziellen Gläubigern. Wenn Nachlässe einen Wert von etwa 10.000 EUR übersteigen und nicht mehr als 50 bekannte Gläubiger vorliegen, sind die Kosten des Aufgebotsverfahrens vertretbar. Es soll sichergestellt sein, dass der vorhandene Nachlass bei Beschränkung der Haftung auf den Nachlass den Nachlassgläubigern vollständig zur Verfügung steht; sie soll zudem die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger bei Dürftigkeit des Nachlasses ermöglichen.
Rz. 27
Der Erbe kann sich gegenüber den unbefriedigten Nachlassgläubigern schadenersatzpflichtig machen, wenn er entgegen seiner Verpflichtung nicht unverzüglich den Antrag stellt, § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist analog auf den Nachlassverwalter, nicht jedoch auf den Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker anwendbar. Der Erbe bleibt also auch bei bestehender Nachlasspflegschaft oder Testamentsvollstreckung antragspflichtig. Die Vertretung der Antragspflicht der Erben ist jedoch eher theoretischer Natur, da bei angeordneter Nachlasspflegschaft bzw. Testamentsvollstreckung der Erbe nur in den seltensten Fällen einen Überblick über die Vermögenssituation hat.
Rz. 28
Der Umfang des Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB, bemisst sich also nach der Differenz zwischen demjenigen Betrag, den der Gläubiger tatsächlich erhalten hat, und dem, was er erhalten hätte, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre. Der Anspruch richtet sich gegen den Erben oder Miterben als Gesamtschuldner, §§ 823 Abs. 2, 1980 Abs. 1 BGB und §§ 421 ff., 840 Abs. 1 BGB. Im Nachlassinsolvenzverfahren gehört der Schadenersatzanspruch gegenüber den Erben zur Masse, vgl. § 328 Abs. 2 InsO, und wird vom Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht.