Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
I. Nachlassseparation
Rz. 75
Die Wirkungen der mit dem Erbfall eingetretenen Vereinigung des Eigenvermögens des Erben mit dem Nachlass werden wieder beseitigt. Sind durch die Vereinigung Rechte und Verbindlichkeiten erloschen, sei es durch Konfusion (Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit) oder Konsolidation (Vereinigung von Recht und Belastung), so gelten infolge der Insolvenzeröffnung diese Rechtsverhältnisse ex tunc als nicht erloschen, § 1976 BGB.
Rz. 76
Die als Folge der Vereinigung eingetretene unbeschränkte Haftung des Erben wird nunmehr beschränkt auf das Nachlassvermögen.
II. Verlust der Haftungsbeschränkung
Rz. 77
Die Haftungsbeschränkung tritt allerdings nur ein, wenn der Erbe nicht bereits aus anderen Gründen unbeschränkt haftet, wie z.B.:
hier aber nur unbeschränkte Haftung gegenüber dem antragstellenden Gläubiger, nicht gegenüber den sonstigen Gläubigern.
Rz. 78
§ 2013 BGB besagt nicht, dass das Nachlassinsolvenzverfahren nicht mehr eröffnet werden kann. Das Verfahren kann aber bei unbeschränkbarer Haftung des Erben nicht mehr zu einer Haftungsbeschränkung führen. Das Verfahren entfaltet die Trennungswirkung nur zugunsten der Nachlassgläubiger. Gläubiger des Erben können nicht mehr in Nachlassgegenstände die Zwangsvollstreckung betreiben. Der unbeschränkbar haftende Erbe behält weiter das Recht, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen. Der Erbe haftet bei der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit seinem Eigenvermögen, auf das die Nachlassgläubiger zugreifen können. Wird neben dem Nachlassinsolvenzverfahren auch ein Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Erben eröffnet, können die Nachlassgläubiger ihre Forderungen auch in diesem Verfahren geltend machen und werden dann wie absonderungsberechtigte Gläubiger behandelt, § 331 Abs. 1 InsO.
Rz. 79
Die durch die Eröffnung bewirkte Haftungsbeschränkung gilt gegenüber allen Gläubigern. Jeder Gläubiger des Erblassers muss daher prüfen, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Nachlassinsolvenzantrag zu stellen, da ihm dadurch die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Erben genommen wird.
Entsprechend bewirkt die Eröffnung auf Antrag des Erben nicht nur seine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, sondern schützt sein Vermögen vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger des Erben.
III. Aufrechnung und Insolvenzeröffnung
Rz. 80
Die vor Eröffnung erfolgten Aufrechnungen von Nachlassgläubigern gegen Eigenforderungen des Erben oder von Eigengläubigern des Erben gegen Nachlassforderungen gelten als nicht erfolgt, § 1977 BGB.
Beispiel
Erblasser E hat Verbindlichkeiten bei der Kfz-Werkstatt K i.H.v. 1.000 EUR. Erbe A hat gegen K persönlich einen Anspruch auf Mietzahlung. Die von K erklärte Aufrechnung wird unwirksam. Erblasser E hat in diesem Fall die Verbindlichkeit und der Erbe die Forderung aus Miete. Hat der Erbe der Aufrechnung von Nachlassgläubigern gegen eine Eigenforderung zugestimmt oder diese Aufrechnung veranlasst, bleibt es bei der Aufrechnung.
Rz. 81
Eine Zustimmung des Erben zu Aufrechnungen von Eigengläubigern gegen Nachlassforderung ist hingegen trotz des Wortlauts von § 1977 Abs. 2 BGB nicht relevant. Die Aufrechnung des Eigengläubigers wird also ex tunc unwirksam. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Norm. Der Fall ist nicht über die Haftung des Erben für die bisherige Verwaltung, §§ 1978, 1979 BGB, zu regeln. § 1977 BGB will die Aufrechnung aus der sonstigen Verwaltung herausnehmen und gesondert regeln.
IV. Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen und Vermächtnissen
Rz. 82
Die bereits erfolgte Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben vor Eröffnung ist wie eine unentgeltliche Leistung, § 322 InsO, anfechtbar.
Rz. 83
Hat der Erbe vor der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens aus dem Nachlassvermögen Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so sind diese Rechtshandlungen insolvenzrechtlich anfechtbar wie eine unentgeltliche Leistung des Erben, § 322 InsO, da die Empfänger dieser Leistungen zu den nachrangigen Insolvenzgläubigern gehören, § 327 InsO. § 322 InsO ist ein eigenständiger Anfechtungstatbestand.
V. Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers bzw. des Erben zur Erhöhung der Masse
1. Anfechtung
Rz. 84
Mit der Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers bzw. des Erben bezüglich des Nachlasses kann der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse anreichern. Der Insolvenzverwalter hat die Verpflichtung, alle anfechtbaren Rechtshandlungen auch anzufechten. Nach erfolgreicher Anfechtung wird dadurch die Nachlassinsolvenzmasse erhöht.
Rz. 85
Anfechtungsberechtigt ist gem. § 129 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter, da dem Gemeinschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse entzogen wurde. Das Anfechtungsrecht entsteht originär in dessen Person. Es wird kraft dieses Amtes ausgeübt und ist untrennbar mit dem Insolvenzverwalter verbunden.
Rz. 86
Die Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 143 InsO ist nicht zu verwechseln mit der Anfechtung einer...