Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
1. Anfechtung
Rz. 84
Mit der Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers bzw. des Erben bezüglich des Nachlasses kann der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse anreichern. Der Insolvenzverwalter hat die Verpflichtung, alle anfechtbaren Rechtshandlungen auch anzufechten. Nach erfolgreicher Anfechtung wird dadurch die Nachlassinsolvenzmasse erhöht.
Rz. 85
Anfechtungsberechtigt ist gem. § 129 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter, da dem Gemeinschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse entzogen wurde. Das Anfechtungsrecht entsteht originär in dessen Person. Es wird kraft dieses Amtes ausgeübt und ist untrennbar mit dem Insolvenzverwalter verbunden.
Rz. 86
Die Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 143 InsO ist nicht zu verwechseln mit der Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung nach §§ 119, 123 BGB. Das Anfechtungsrecht wegen Gläubigerbenachteiligung hat den Charakter eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe/Zahlung an den Insolvenzverwalter.
Rz. 87
Anfechtungsgegner ist der Empfänger der anfechtbaren Leistung. Selbstverständlich geht dieser Anspruch auch auf den Erben als Rechtsnachfolger über. Das Anfechtungsrecht wird ausgeübt durch die Erhebung einer Klage. Wenn die Anfechtung erfolgreich war, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis.
Rz. 88
Rechtshandlungen, die der Schuldner nach Insolvenzeröffnung vornimmt, sind gem. § 81 Abs. 1 InsO generell unwirksam. Rechtshandlungen, die sich vor Insolvenzeröffnung ereigneten und durch welche die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden, können vom Insolvenzverwalter angefochten werden, sofern es zur Eröffnung eines Verfahrens kommt und die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind.
Rz. 89
Bei der Anfechtung im Nachlassinsolvenzverfahren wird das Anfechtungsrecht ausschließlich vom Nachlassinsolvenzverwalter ausgeübt. Nachlassgläubiger sind dazu nicht berechtigt.
Rz. 90
Der Anfechtungsanspruch erlischt, wenn die Klage nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Jahren seit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erhoben worden ist, § 146 Abs. 1 InsO. Bei Versäumung macht sich der Nachlassinsolvenzverwalter schadensersatzpflichtig. Die Frist beginnt mit dem Wirksamwerden des Eröffnungsbeschlusses. Die Klageschrift muss alle Tatsachen enthalten, aus denen die Anfechtung hergeleitet wird.
Rz. 91
Die Insolvenzanfechtung wird in den §§ 129 ff. InsO geregelt. Dabei wird unterschieden zwischen der Anfechtung
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von Rechtshandlungen mit kongruenter Deckung (§ 130 InsO), |
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von Rechtshandlungen mit inkongruenter Deckung (§ 131 InsO), |
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wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO), |
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unentgeltlicher Leistungen (§ 134 InsO), |
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Verträge zugunsten Dritter, Bezugsrechte aus Lebensversicherung, Beteiligung an einem Oder-Konto, wenn das Valutaverhältnis eine Schenkung ist, und es ich nicht um ein unwiderrufliches Bezugsrecht handelt, welches vor mehr als vier Jahren vor dem Antrag vereinbart wurde. |
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von Sicherung und Rückzahlung kapitalersetzender Darlehen (§ 135 InsO), |
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gegenüber dem stillen Gesellschafter (§ 136 InsO). |
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Weiterhin ist enthalten die Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen (§ 132 InsO) als Auffangtatbestand. |
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Vom Grundsatz her ist genau das, was aus dem Vermögen des Erblassers hinausgelangt ist, an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. |
Rz. 92
Der Primäranspruch nach erfolgter Insolvenzanfechtung richtet sich primär nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO auf "Rückgewähr". Das, was dem Vermögen des Gemeinschuldners in anfechtbarer Weise entzogen wurde, ist der Nachlassinsolvenzmasse zurückzugewähren. Sie muss so gestellt werden, wie sie stünde, wenn die anfechtbare Handlung unterblieben wäre. Die entzogenen Sachen sind in natura zurückzugewähren. Dies bedeutet, dass Geld, das aufgrund eines wirksam angefochtenen Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall (Bank, Lebensversicherung) ausbezahlt wurde, komplett mit dem ausgezahlten Nennbetrag zurückzuzahlen ist.
Rz. 93
Ist der Anfechtungsschuldner nicht dazu in der Lage, so verweist § 143 Abs. 1 S. 2 InsO hinsichtlich der Sekundäransprüche bei Unmöglichkeit der Rückgewähr auf die Vorschriften über die Haftung des Bereicherungsschuldners, der den Mangel des rechtlichen Grundes kennt. Der Rückgewährschuldner haftet somit nur für die verschuldete Unmöglichkeit (§§ 819 Abs. 1, 919 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989, 990 BGB). Eine weitere Modifikation des Rückgewähranspruchs findet sich für die Haftung des gutgläubigen Empfängers einer unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 i.V.m. § 143 Abs. 2 S. 1 InsO. Er hat diese nur zurückzugewähren, sofern er durch sie noch bereichert ist.
Rz. 94
Der Empfänger einer anfechtbaren unentgeltlichen Leistung, z.B. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (Anfechtung nach § 134 InsO), der nach § 143 Abs. 2 InsO keine Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung hatte (z.B. weil der Begünstigte keine Kenntnis von der schlechten finanziellen Situation des Erblassers hatte) und nicht mehr bereichert...