Rz. 104
Im Unterschied zur PKH wird die Beratungshilfe ausschließlich für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO gewährt (§ 1 Abs. 1 Beratungshilfegesetz = BerHG). Die Hilfe besteht dabei in der Beratung und, soweit erforderlich, in der Vertretung des Ratsuchenden (§ 2 Abs. 1 BerHG).
I. Sachlicher Anwendungsbereich der Beratungshilfe
Rz. 105
Beratungshilfe nach dem BerHG wird gem. § 2 Abs. 2 BerHG in allen rechtlichen Angelegenheiten gewährt. Dies können somit Angelegenheiten sein
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des Zivilrechts einschließlich der Angelegenheiten, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind (z.B. bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses), |
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des Verwaltungsrechts (z.B. Sozialhilfe, Wohngeld, BaföG, Bausachen, Abgaben- und Gebührenrecht, Schul- und Hochschulrecht, Gewerberecht, Enteignungen, Wehrpflicht- und Zivildienstrecht), |
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des Verfassungsrechts (Verfassungsbeschwerden wegen Grundrechtsverletzungen), |
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des Sozialrechts (z.B. in Renten- und Versorgungsangelegenheiten, in Fragen zur Arbeitslosenversicherung oder Arbeitslosenunterstützung), |
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des Steuerrechts (z.B. Einspruch gegen den Einkommenssteuerbescheid), |
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u.a. |
Rz. 106
In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung, nicht aber Vertretung gewährt, § 2 Abs. 2 S. 2 BerHG.
Rz. 107
Die Beratungshilfe besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung, § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG. Der Gesetzgeber möchte aufgrund der bisherigen Auslegungsschwierigkeiten in § 2 Abs. 1 S. 2 BerHG einen Maßstab schaffen, anhand dessen das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" für die Vertretung zu beurteilen ist. Für die Erforderlichkeit wird daher auf folgende Parameter abgestellt:
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Umfang und Schwierigkeit der Rechtsangelegenheit, |
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Bedeutung der Rechtsangelegenheit für den Rechtsuchenden, |
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individuelle Möglichkeiten der Selbstvertretung des konkreten Rechtsuchenden (nicht des "durchschnittlichen"). |
Rz. 108
Eine Rolle spielen bei der Beurteilung daher möglicherweise auch:
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die Schulbildung, |
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die sonstige Bildung, |
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eine Erkrankung des Rechtsuchenden, |
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die Komplexität des Falles. |
II. Der Ablauf des Beratungshilfeverfahrens
1. Antrag und Antragsform
Rz. 109
Beratungshilfe wird nur auf einen diesbezüglichen Antrag hin gewährt (§ 1 Abs. 1 BerHG). Der Antrag kann gem. § 4 Abs. 2 BerHG mündlich oder schriftlich bei dem für die Entscheidung über die Gewährung von Beratungshilfe zuständigen Amtsgericht gestellt werden. Der Sachverhalt, für den Beratungshilfe beantragt wird, ist anzugeben. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsuchenden sind glaubhaft zu machen. Wirkt der nicht entsprechend der gesetzlichen Vorgaben mit, kann ihm bereits aus diesem Grund die Beratungshilfe versagt werden.
Rz. 110
Sofern der Antrag schriftlich gestellt wird, ist das vom Bundesjustizminister gem. § 11 BerHG eingeführte Formular zu verwenden (siehe Rdn 113) Sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe gegeben und wird die Angelegenheit nicht durch das Amtsgericht erledigt, stellt das Amtsgericht dem Rechtsuchenden unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch eine Beratungsperson seiner Wahl aus, § 6 Abs. 1 BerHG.
Rz. 111
Neben der Antragsmöglichkeit bei Gericht besteht für den Ratsuchenden aber auch die Möglichkeit, sich wegen der Gewährung von Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt zu wenden und einen Antrag auf nachträgliche Beratungshilfe zu stellen, § 6 Abs. 2 S. 1 BerHG. In diesem Fall muss der Antrag jedoch gem. § 6 Abs. 2 S. 2 BerHG innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Beginn der Beratungstätigkeit gestellt werden. Es ist also nicht ratsam, mit der nachträglichen Antragstellung zu warten, bis die Sachbearbeitung abgeschlossen ist und Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe gleichzeitig mit dem Festsetzungsantrag bei Gericht einzureichen, um einen Arbeitsgang zu sparen.
Rz. 112
Gemäß § 4 Abs. 6 BerHG kann der Rechtsanwalt (oder eine andere Beratungsperson) in den Fällen nachträglicher Antragstellung vor Beginn der Beratungshilfe verlangen, dass der Rechtsuchende seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse belegt und erklärt, dass ihm in derselben Angelegenheit Beratungshilfe bisher weder gewährt noch durch das Gericht versagt worden ist, und dass in derselben Angelegenheit kein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder war. Der Anwalt sollte sich die Erklärung des Auftraggebers unterschreiben lassen, denn die Folge einer fehlerhaften Erklärung und der dann erfolgenden Ablehnung ist, dass der Anwalt einen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen seinen Auftraggeber hat, wenn er ihn zuvor auf diese Folge hingewiesen hat, § 8a Abs. 4 BerHG. Zwar fordert § 8a Abs. 4 BerHG den Vergütungshinweis nicht in Textform (§ 126b BGB) wie § 6a Abs. 2 Nr. 2 BerHG; es ist aber empfehlenswert, den erteilten Hinweis auf diese Weise zu dokumentieren.
Rz. 113
Muster: Antrag auf Beratungshilfe
(Mit freundlicher Genehmigung der Hans Soldan GmbH, Dienste für Anwälte, Bocholder Str. 259, 45356...