Rz. 438

Es kommen im verkehrsbezogenen Rechtsschutz (z.B. § 21 Abs. 8 ARB bzw. Nr. 4.2 ARB 2012) vor allem diese in Betracht:

Führerscheinklausel,
Schwarzfahrtklausel,
fehlende Zulassung des Kraftfahrzeuges.

Diese Obliegenheiten wenden sich an den Fahrer des Fahrzeugs, der mit dem Versicherungsnehmer identisch, aber auch nur eine mitversicherte Person sein kann. Man ist sich darüber einig, dass es sich hierbei trotz des etwas missverständlichen Wortlautes um Obliegenheiten handelt und nicht um Risikoausschlüsse.[418]

 

Rz. 439

Im Einzelnen:

Die vorgeschriebene Fahrerlaubnis fehlt nicht, wenn dem Fahrer lediglich ein Fahrverbot auferlegt worden ist.[419]
Der Fahrer eines Fahrzeuges ist ein unberechtigter Fahrer, wenn die Fahrt ohne oder gegen den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen desjenigen durchgeführt wird, der selbstständig über die Benutzung des Fahrzeugs bestimmen kann.[420]
Die Benutzung eines nicht zugelassenen oder nicht mit einem Versicherungskennzeichen versehenen Fahrzeugs ist einerseits Obliegenheitsverletzung, andererseits aber fehlende Leistungsvoraussetzung i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 ARB u.Ä. Schirmer[421] geht davon aus, dass eine Obliegenheitsverletzung nur vorliegt, wenn die ursprünglich gegebene Zulassung dadurch später entfällt, dass die Betriebserlaubnis durch Veränderungen am Fahrzeug (z.B. Leistungsveränderungen am Motor) erlischt. Die Leistungsvoraussetzung i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 ARB u.Ä. ist dagegen dann nicht gegeben, wenn das Fahrzeug nicht oder nicht mehr auf den Versicherungsnehmer zugelassen ist.
 

Rz. 440

Verletzt der Versicherungsnehmer oder eine mitversicherte Person (§ 15 Abs. 2 S. 1 ARB) diese Obliegenheiten, tritt seit der für Neuverträge zum 1.1.2008 und für Altverträge zum 1.1.2009 (vgl. Art. 1 EGVVG) in Kraft getretenen Reform des VVG, durch die das sog. "Alles-oder-Nichts-Prinzip" aufgehoben wurde, nicht mehr grundsätzlich vollständige Leistungsfreiheit des Rechtsschutzversicherers ein. Während in den ARB 2008 bereits die Neuregelungen der Reform des VVG umgesetzt sind, gehen bei Altverträgen ab dem 1.1.2009 die dem Versicherungsnehmer günstigeren Neuregelungen in § 28 Abs. 14 VVG den Regelungen der älteren ARB vor (vgl. § 32 S. 1 VVG).

 

Rz. 441

Nach neuem Recht hängen die Rechtsfolgen vom Verschulden des Versicherungsnehmers bzw. Mitversicherten ab:

ist die Obliegenheitsverletzung schuldlos oder leicht fahrlässig begangen worden bzw. hatte die betreffende Person von dem Verstoß ohne Verschulden oder lediglich leicht fahrlässig keine Kenntnis, ist die Obliegenheitsverletzung folgenlos (§ 21 Abs. 8 S. 2, 4 ARB 2008, Nr. 4.2 ARB 2012 bzw. § 28 Abs. 2 VVG);
bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung bzw. Unkenntnis des Verstoßes ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen (§ 21 Abs. 8 S. 3 ARB 2008, Nr. 4.2 ARB 2012 bzw. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG);
bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung bzw. Kenntnis vom Verstoß ist der Versicherer leistungsfrei (§ 21 Abs. 8 ARB 2008 bzw. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG).

Das neue Recht geht beim Vorliegen einer objektiven Obliegenheitsverletzung von der Verschuldensvermutung der groben Fahrlässigkeit aus. Das bedeutet, dass der Versicherer Vorsatz, der Versicherungsnehmer bzw. Mitversicherte fehlendes bzw. lediglich leicht fahrlässiges Verschulden nachzuweisen hat (§ 21 Abs. 8 ARB 2008, Nr. 4.2 ARB 2012 bzw. § 28 Abs. 2 VVG).

 

Rz. 442

Dem Versicherungsnehmer bzw. Mitversicherten bleibt der sog. Kausalitätsgegenbeweis offen, d.h. beim Nachweis, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung ursächlich war, bleibt die Leistungspflicht bestehen (§ 21 Abs. 8 S. 5 ARB 2008, Nr. 4.2 ARB 2012 bzw. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG). § 28 Abs. 3 S. 2 VVG, wonach im Falle der Arglist der Kausalitätsnachweis nicht möglich ist, gilt bei den Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall im Bereich der Rechtsschutzversicherung nicht (§ 21 Abs. 8 S. 5 ARB 2008).

 

Rz. 443

Der Versicherer kann bei Verletzung einer vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit den Versicherungsvertrag gem. § 28 Abs. 1 VVG fristlos innerhalb eines Monats, nachdem er von der Obliegenheitsverletzung Kenntnis erhalten hat, kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit (Beweislast: Versicherungsnehmer). Die frühere Kündigungspflicht gem. § 6 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. als Voraussetzung der Berufung auf eine Leistungsfreiheit ist mit der Reform des VVG ersatzlos weggefallen.

 

Rz. 444

Es stellt sich die Frage, ob sich der Versicherungsnehmer das Fehlverhalten anderer Personen zurechnen lassen muss. Der Versicherungsnehmer und die mitversicherten Personen haften für ihre Repräsentanten und Wissenserklärungsvertreter. Eine solche Haftung für Dritte spielt in diesem Zusammenhang keine große Rolle, denn nach BGH[422] ist der Fahrer...

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