Rz. 445
Diese Obliegenheiten sind in § 17 Abs. 3 bis 6 ARB bzw. Nr. 4.1 ARB 2012 geregelt. Ihre Erfüllung ist für den Versicherungsnehmer in der Praxis nicht nur wegen der anderenfalls drohenden Rechtsfolgen (§ 17 Abs. 6 ARB), sondern auch im Interesse einer schnellen Bearbeitung seines Versicherungsfalls von erheblicher Bedeutung.
a) Unverzügliche Anzeige
Rz. 446
Nach § 30 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls, sobald er von dem Eintritt Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Eine Verletzung dieser (gesetzlichen) Obliegenheit ist für den Versicherungsnehmer folgenlos, da das VVG keine nachteiligen Rechtsfolgen vorsieht. Die Bestimmung bedarf der Ausfüllung durch die AVB. Die ARB (auch ARB 75) regeln eine Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers nicht, knüpfen also auch an die Verletzung des § 30 Abs. 1 VVG keine Rechtsfolgen. Eine unverzügliche Anzeige jedes Versicherungsfalls wäre in der Praxis der Rechtsschutzversicherung nicht sinnvoll; sie würde nur unnötige Arbeit verursachen, da in vielen Fällen nach einem Versicherungsfall nicht bekannt ist, ob sich aus ihm jemals rechtliche Auseinandersetzungen ergeben werden. Gleichwohl regeln der neue § 17 Abs. 1 ARB 2010 sowie Nr. 4.1.1.1 ARB 2012 nunmehr eine unverzügliche Anzeigepflicht, sobald die Interessenwahrnehmung nach Eintritt des Rechtsschutzfalls erforderlich wird, also nicht erst, wenn der Rechtsschutzanspruch geltend gemacht wird.
b) Unterrichtungsobliegenheit
Rz. 447
Macht der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzanspruch geltend, hat er gem. § 17 Abs. 3 ARB bzw. Nr. 4.1.1.2 ARB 2012 den Rechtsschutzversicherer vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Rechtsschutzfalls zu informieren sowie Beweismittel anzugeben und Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (so auch § 15 Abs. 1 a ARB 75). Diese Obliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzanspruch geltend macht (vgl. § 15 Abs. 1 a ARB 75: "Begehrt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, …"). Diese einschränkende Obliegenheitsvoraussetzung wirft die Frage auf, ob der Versicherungsnehmer mit der Erfüllung der Obliegenheit (unbegrenzt) warten kann, bis er sich entschlossen hat, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, etwa erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens. Piontek bejaht diese Frage. Nach anderer Auffassung muss dagegen die Unterrichtung des Rechtsschutzversicherers so rechtzeitig erfolgen, dass der Rechtsschutzversicherer die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung, insbesondere einer beabsichtigten Klage oder eines Rechtsmittels, noch prüfen kann. Das OLG Köln geht hingegen davon aus, dass der Rechtsschutzversicherer auch nachträglich noch die Erfolgsaussichten prüfen kann, allerdings aus der Sicht ex ante, d.h. bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtsverfolgung. Es fällt auf, dass § 15 Abs. 1 a ARB 75 für den Fall, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz begehrt, eine unverzügliche Unterrichtung des Rechtsschutzversicherers verlangt, während § 17 Abs. 3 ARB eine solche Unterrichtung nicht innerhalb einer bestimmten Frist oder "unverzüglich" vorsieht. Das Problem muss von der Rechtsprechung noch gelöst werden.
Rz. 448
Hinweis
Der Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers sollte, auch im eigenen Haftungsinteresse, unabhängig von Auslegungsproblemen den Rechtsschutzversicherer so bald und so vollständig wie möglich informieren. Auch die bekannten Einwendungen des Gegners sind dem Rechtsschutzversicherer ohne besondere Aufforderung mitzuteilen. Allerdings sind speziell bei einem beabsichtigten Arzthaftungsprozess die haftungsrechtlich geltenden prozessualen Grundsätze der niedrigen Anforderungen an die Substanziierung auch auf die Informationsobliegenheit zu übertragen, so dass dieser bereits genügt wird, wenn sich der Patient auf einen Vortrag beschränkt, der lediglich die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet.
Rz. 449
Das OLG Frankfurt a.M. hatte einem Rechtsschutzversicherer die Berufung auf § 15 Abs. 1 a ARB 75 versagt, obwohl der Versicherungsnehmer erst Monate nach einer außergerichtlichen Auseinandersetzung den Rechtsschutzversicherer informiert hatte. Es geht von der bekannten Relevanzrechtsprechung des BGH aus, die es auch im Rahmen des § 15 ARB 75 für einschlägig hält, und stellt fest, dass die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nicht generell geeignet gewesen sei, die berechtigten Interessen des Rechtsschutzversicherers ernsthaft zu gefährden: "In der Rechtsschutzversicherung kommt es in aller Regel nicht entscheidend darauf an, dass der Versicherer so schnell wie möglich von den Umständen des Versicherungsfalls erfährt." Allerdings ist zu beachten, dass der BGH es in einer neueren Entscheidung zu den ARB 75 bei angenommener Verletzung der Unterrichtungsobliegenheit des § 15 ARB 75 für die Kausalität hat ausreichen lassen, dass der Rechtsschutzversicherer keine Mögl...