Rz. 426
Gemäß § 4 Abs. 3 a ARB ist zusätzlich zum Vorliegen eines Versicherungsfalls in versicherter Zeit eine weitere Voraussetzung für die Rechtsschutzdeckung zu beachten. Danach besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach § 4 Abs. 1 c ARB ausgelöst hat. Nicht zu verwechseln ist diese zusätzliche Voraussetzung mit dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls, welcher hiervon unberührt bleibt. Es handelt sich also nicht um eine Vorverlagerung des Zeitpunkts des Versicherungsfalls, sondern um eine davon unabhängige zeitliche Vorverlagerung des Haftungsausschlusses für einen später eintretenden Versicherungsfall.
Rz. 427
Beispiele
Stellt der Versicherungsnehmer einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsleistungen und wird dieser Antrag vom Versicherer nach Ablauf der Wartezeit abgelehnt, so liegt in der ablehnenden Entscheidung zwar erst der (behauptete) Rechtsverstoß und damit der Versicherungsfall i.S.d. § 4 Abs. 1 c ARB. Auch wenn dieser Versicherungsfall nach Ablauf der Wartezeit eingetreten ist, genießt der Versicherungsnehmer trotzdem keinen Versicherungsschutz, wenn die Willenserklärung/Rechtshandlung des Versicherungsnehmers (Antrag) vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen worden ist.
Gleiches gilt bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, wenn es später bei der Abwicklung zu Streitigkeiten kommt. Auch hier ist entscheidend, ob bereits zum Zeitpunkt der Kündigung als Willenserklärung/Rechtshandlung Versicherungsschutz bestand.
Rz. 428
Der BGH hat diese sog. Vorerstreckungsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot als insgesamt unwirksam angesehen.
Nach OLG Hamm schloss allerdings nicht schon jede Willenserklärung, die im Sinne einer conditio sine qua non zu einem Versicherungsfall führt, den Versicherungsschutz aus: "Nach dem Zweck der Bestimmung soll der Ausschluss nur greifen, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung ihrer Natur nach erfahrungsgemäß den Keim nachfolgenden Rechtsverstoßes des einen oder des anderen Teils in sich trägt und nicht schon jedes "neutrale" Vertragsangebot erfassen, wenn es auch nach Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages später bei der Vertragsabwicklung zu Streitigkeiten kommt". Hintergrund ist der Gedanke, dass der Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit haben sollte, sich nach einer "konfliktträchtigen" Willenserklärung/Rechtshandlung noch schnell zu versichern, weil er z.B. mit der Ablehnung seines Antrags oder Streitigkeiten bei der Abwicklung des gekündigten Vertrages rechnen muss, also der spätere Versicherungsfall sozusagen bereits "vorprogrammiert" ist.
Rz. 429
Anders als nach § 14 Abs. 3 S. 3 ARB 75 schadete eine Willenserklärung/Rechtshandlung innerhalb der Wartezeit gem. § 4 Abs. 3 a ARB nicht.
Rz. 430
Ein besonderes Problem bestand dann, wenn ein Versichererwechsel zwischen Willenserklärung/Rechtshandlung und Versicherungsfall erfolgt ist. Dann wäre an sich weder der erste Versicherer (mangels Versicherungsfalls in versicherter Zeit) noch der zweite Versicherer (wegen vorvertraglicher Willenserklärung/Rechtshandlung) zur Deckung verpflichtet. Da jedoch bei einem "nahtlosen" Versichererwechsel nicht das Risiko von Zweckabschlüssen besteht (ohne Versichererwechsel bestünde Versicherungsschutz), soll nach einer Empfehlung des HUK-Verbandes aus dem Jahre 1977 eine Regulierung durch den späteren Versicherer unter Kostenteilung zwischen Vor- und Nachversicherer erfolgen. Allerdings besteht insoweit kein Rechtsanspruch. Dieses Problem ist in § 4 a Abs. 1 a der aktuellen Fassung der ARB 2000/2008/2010 (GDV-Musterbestimmungen) bzw. Nr. 6.2.6 ARB 2012 gelöst worden, denn danach hat bei lückenlosem Versicherungsschutz der spätere Versicherer Deckung zu gewähren.