Rz. 65
In der Praxis wird die Einholung der Deckungszusage unterschiedlich gehandhabt. Manche Versicherungsnehmer suchen ihren Rechtsanwalt schon mit der ihnen erteilten schriftlichen Deckungszusage auf. In der Regel wird die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer jedoch dem Rechtsanwalt überlassen. Die meisten Rechtsanwälte erbringen die Abwicklung mit dem Rechtsschutzversicherer als kostenlose Serviceleistung für ihren Mandanten. Dementsprechend gehen das LG München I und OLG München davon aus, dass die Einholung der Deckungszusage keine gesonderten Gebühren des Rechtsanwaltes auslöse, weil es sich lediglich um eine die Haupttätigkeit des Rechtsanwaltes begleitende Nebentätigkeit handele. Nach richtiger Meinung stellt die Rechtsschutzabwicklung jedoch grundsätzlich gebührenrechtlich eine selbstständige Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG dar, die eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG auslöst. Dies folgt daraus, dass weder Parteien (Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherer) noch Gegenstand (versicherungsrechtlicher Rechtsschutzanspruch) des Mandats zur Rechtsschutzabwicklung mit dem Mandat identisch sind, für das Deckung begehrt wird.
Rz. 66
Ein solcher Gebührenanspruch fällt aber auf keinen Fall unter den Versicherungsschutz des Rechtsschutzversicherungsvertrages, wie sich aus dem Risikoausschluss des § 3 Abs. 2 h ARB bzw. Nr. 3.2.11 ARB 2012 ergibt (so auch § 4 Abs. 1 h ARB 75 und die zu ihm eingeführte Klausel).
Hinweis
Will der Rechtsanwalt die zusätzlichen Kosten für die Deckungsanfrage vom Mandanten verlangen, sollte er ihn vorher darauf hinweisen. Der Mandant rechnet nämlich wegen der allgemein bekannten Praxis, diese Tätigkeit als Serviceleistung zu erbringen, in aller Regel nicht damit. Da auch die berechtigten Mandantenerwartungen im Hinblick auf die Verkehrssitte (vgl. §§ 157, 242 BGB) maßgeblich sind, dürfte im Fall einer unterbliebenen Aufklärung über die gesonderte Kostenpflicht sowie den Umstand, dass weder der Rechtsschutzversicherer noch der Gegner diese Kosten zu erstatten hat, eine Beratungspflichtverletzung vorliegen. Diese führt zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten in Höhe der Gebühr für die Rechtsschutzabwicklung, mit welcher der Mandant aufrechnen kann. Da es auf der anderen Seite dem Rechtsanwalt jedoch kaum zuzumuten sein kann, als Serviceleistung bei Streitfragen eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer zu führen, die den Aufwand des zugrunde liegenden Mandats durchaus überschreiten kann, ist zu empfehlen, dem Mandanten transparent die Grenze deutlich zu machen, an der die "Serviceleistung" endet (z.B. nur erste Deckungsanfrage). Sodann sollte sich der Rechtsanwalt nach Aufklärung über die bei einer weiteren Tätigkeit entstehenden Kosten vom Mandanten förmlich ein Mandat gegen den Rechtsschutzversicherer mit entsprechender Vollmacht erteilen lassen, um späteren Nachweisschwierigkeiten zu entgehen.
Rz. 67
Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Rechtsschutzabwicklung kommt dann in Betracht, wenn der Rechtsschutzversicherer zunächst den Rechtsschutz abgelehnt hatte. In diesem Fall hat der Rechtsschutzversicherer dem Versicherungsnehmer die entstandenen Rechtsanwaltskosten als Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB (frühere positive Vertragsverletzung) zu erstatten. Madert geht in einem solchen Fall von einem erstattungsfähigen Verzugsschaden des Versicherungsnehmers aus.
Rz. 68
In letzter Zeit ist gehäuft die Frage aufgeworfen worden, inwieweit der Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers dem Geschädigten Rechtsanwaltskosten zu erstatten hat, die ihm für die Einholung einer Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer entstehen. Ansatzpunkt einer solchen Überlegung könnte sicherlich eine Entscheidung des BGH sein, wonach eine Erstattungspflicht von solchen Rechtsanwaltskosten durch den Unfallverursacher in Betracht kommt, welche dem Geschädigten für die Geltendmachung von Leistungen aus der privaten Unfallversicherung entstehen. In der Instanzenrechtsprechung wird neben der Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB insbesondere kontrovers diskutiert, ob ein solcher Anspruch vom Schutzzweck der Haftungsnormen umfasst ist. Vom BGH liegen inzwischen zwei Entscheidungen vor, nämlich des VIII. und des VI. Zivilsenats. Beide Senate bringen zum Ausdruck, dass im Falle des Verzugs durchaus ein solcher Schadensersatzanspruch in Betracht käme, lehnen den Anspruch im konkreten Fall jedoch mangels Erforderlichkeit ab, weil der Mandant jeweils die Deckungszusage problemlos hätte selbst einholen können. Der VI. Senat stellt hierbei explizit klar, dass jedenfalls bezogen auf die Anspruchsgrundlage des Verzugs der Anspruch nicht am fehlenden Schutzzweck der Haftungsnorm scheitert.
Es dürfte letztlich eine Geschmacksfrage sein, inwieweit ein solcher Schadensersatzanspruch gerichtlich verfolgt wird. Neben der Frage der Erforderlichkeit im Einzelfall ...