Rz. 499
Verstirbt eine Partei des Rechtsstreits, verliert sie ihre Prozessfähigkeit oder stirbt der gesetzliche Vertreter der Partei oder verliert dieser seine Vertretungsbefugnis, wird die Nachlassverwaltung angeordnet oder tritt die Nacherbfolge ein, so führt dies nach §§ 239, 241, 242 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens, wenn die Partei keinen Prozessbevollmächtigten hatte.
Rz. 500
Wurde die betroffene Partei jedoch durch einen Bevollmächtigten vertreten – sowohl im Anwalts- als auch im Parteiprozess –,[356] so tritt diese Unterbrechung nach § 246 ZPO nicht ein. Jedoch kann auf Antrag des Bevollmächtigten und in den Fällen des Todes der Partei und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 ZPO angeordnet werden.[357]
Rz. 501
Tipp
Von dieser Möglichkeit sollte der Bevollmächtigte immer Gebrauch machen, um den Lauf von Fristen nach § 249 Abs. ZPO zu unterbrechen und den Prozesshandlungen der anderen Partei nach § 249 Abs. 2 ZPO die Wirkung zunehmen. Darüber hinaus hat die Aussetzung wegen des Todes einer Partei den Vorteil, dass der Bevollmächtigte zunächst abwarten kann, ob und in welcher Weise die Erben den Rechtsstreit aufnehmen möchten. So kann sich auch die Prozesssituation dadurch verändern, dass die Erben andere persönliche und wirtschaftliche Ziele als der Erblasser verfolgen oder sich die Beweislage nun dadurch ändert, dass die Erben bisher als (einzige) Zeugen im Prozess vorgesehen waren und damit das Prozessrisiko neu bewertet werden muss.
Rz. 502
Für die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens gelten nach § 246 Abs. 2 ZPO die gleichen Regelungen wie bei der Unterbrechung des Verfahrens nach §§ 239, 241–243 ZPO. Wird also die Aufnahme des Verfahrens verzögert, so kann beantragt werden, die neuen Parteien zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden.
Rz. 503
Die Aufnahme des Rechtsstreits ist dem Gericht nach § 250 ZPO schriftlich anzuzeigen.[358] Das Gericht stellt den Schriftsatz der gegnerischen Partei zu.
Rz. 504
Hinweis
Beide Parteien müssen beachten, dass mit der Zustellung der Anzeige der Aufnahme des Rechtsstreits alle Fristen unmittelbar wieder zu laufen beginnen. Dem muss der Rechtsanwalt in seiner Fristenverwaltung Rechnung tragen.
Rz. 505
Der Rechtsstreit kann bei dem Tod einer Partei durch die Erben als Ganzes, aber auch durch einen einzelnen Miterben aufgenommen werden.
Rz. 506
Hinweis
Demgegenüber endet der Prozess unmittelbar, wenn die verstorbene Partei vom Prozessgegner beerbt worden ist.[359] Eine Aufnahme ist dann nicht mehr möglich.
Rz. 507
Grundsätzlich ist das Gericht gehindert, nach der Aussetzung gem. § 246 ZPO noch eine Entscheidung zu verkünden. Eine Ausnahme sieht § 249 Abs. 3 ZPO vor, wenn der Aussetzungsgrund erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden ist und die Entscheidung aufgrund dieser mündlichen Verhandlung erlassen werden soll.
Rz. 508
Hinweis
Verstirbt die anwaltlich vertretene und ein Rechtsmittel führende Partei während des Berufungsverfahrens und wird ein Aussetzungsantrag gestellt, dann darf das Berufungsgericht während des ausgesetzten Verfahrens keinen Beschluss über die Streitwertfestsetzung treffen, auf dessen Grundlage dann das Rechtsmittel wegen Nichterreichens der Berufungssumme verworfen wird.[360] Erfolgt eine Aussetzung der Hauptsache, bevor ein verkündetes Urteil Rechtskraft erlangt, ist eine Kostenfestsetzung unzulässig. Dies gilt bei einer das Verfahren in seiner Gesamtheit erfassenden Aussetzungsentscheidung selbst dann, wenn der Aussetzungsgrund weder den Antragsteller noch den Antragsgegner des Kostenfestsetzungsverfahrens betrifft.[361]
Rz. 509
Der Gegner ist berechtigt, nach der Aufnahme des Verfahrens durch die vermeintlichen Erben, deren Erbenstellung zu bestreiten. Die Erben müssen dann einen Erbschein beantragen und vorlegen, um ihre Rechtsstellung nachzuweisen.
Rz. 510
Hinweis
Der Gegner hat damit die Möglichkeit, durch das einfache Bestreiten der Rechtsnachfolge den Rechtsstreit weiter zu verzögern. Wollen die Erben dies vermeiden, empfiehlt es sich, schon unmittelbar mit der Anzeige der Aufnahme des Verfahrens einen Erbschein vorzulegen. Jedenfalls sollte dieser unverzüglich nachgereicht werden oder die Beiziehung der Nachlassakte beantragt werden.
Rz. 511
Werden die Erben als Rechtsnachfolger des Beklagten als Schuldner in Anspruch genommen, so können sie nach § 780 Abs. 1 ZPO[362] die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass nur geltend machen, wenn sie sich diesen Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Urteil vorbehalten haben. Aus diesem Grunde sollte der Vorbehalt schon in die Anzeige der Aufnahme des Verfahrens durch die Erben enthalten sein.
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