Rz. 104
Was unter "ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung" zu verstehen ist, richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten; es werden dabei strenge Anforderungen gestellt. Inhalt und Umfang der Pflicht werden dabei durch die dem Testamentsvollstrecker vom Erblasser übertragene Aufgabe und etwaige Verwaltungsanordnungen bestimmt. Die ordnungsgemäße Verwaltung ist daher bei der regelmäßigen Abwicklungsvollstreckung nach §§ 2203 ff. BGB eine andere als bei der Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 BGB oder einer inhaltlich oder gegenständlich beschränkten Testamentsvollstreckung nach § 2208 BGB. Besondere Anweisungen des Erblassers sind gem. § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB vom Testamentsvollstrecker zu befolgen. Sie sind der Verfügung von Todes wegen ggf. durch Auslegung zu entnehmen. Bloße Wünsche des Erblassers sind dagegen nicht unbedingt bindend.
Rz. 105
Führt nach Ansicht des Testamentsvollstreckers oder eines sonstigen Beteiligten die Befolgung einer letztwilligen Anordnung des Erblassers zu einer erheblichen Gefährdung des Nachlasses, so kann dies für den Testamentsvollstrecker zur Verpflichtung führen, einen Antrag an das Nachlassgericht zur Außerkraftsetzung der Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB stellen zu müssen (vgl. Muster Rdn 117). Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung besteht gegenüber den Erben und Vermächtnisnehmern, nicht jedoch gegenüber Auflagenbegünstigten oder Nachlassgläubigern. Jeder einzelne Miterbe kann daher z.B. den Testamentsvollstrecker darauf verklagen, eine nach dem Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung gebotene Maßnahme vorzunehmen oder eine ordnungswidrige Maßnahme zu unterlassen (vgl. Muster Rdn 118).
Rz. 106
Innerhalb des vom Erblasser geschaffenen Bindungsrahmens wird aber die Verwaltungspflicht inhaltlich bestimmt durch das objektive Nachlassinteresse und damit insbesondere durch die allgemeinen Regeln der Wirtschaftlichkeit. Der Testamentsvollstrecker ist gehalten, im Einzelfall wirtschaftlich, vernünftig und aus allgemein nachvollziehbaren Gründen zu handeln. Zu unentgeltlichen Verfügungen ist der Testamentsvollstrecker lediglich berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen (§ 2205 BGB). Soweit der Testamentsvollstrecker außerhalb dieses Anwendungsbereiches Vermögensgegenstände verschenkt, erwirbt zwar der Beschenkte unter Umständen gutgläubig Eigentum an dem Gegenstand. Er ist jedoch den Erben gegenüber zur Herausgabe verpflichtet, da der Testamentsvollstrecker als Nichtberechtigter verfügt hat.
Rz. 107
Besondere Probleme ergeben sich insbesondere bezüglich der Frage, inwieweit der Testamentsvollstrecker zur Auskehrung von Erträgen und Nutzungen an die Erben verpflichtet ist. Sie fallen nach h.M. nicht unter die Regelung des § 2217 BGB (vgl. Rdn 146). Ihre Herausgabe richtet sich vielmehr nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Soweit Verwaltungsvollstreckung angeordnet ist, richtet sich die Herausgabeverpflichtung zunächst nach den Verwaltungsanordnungen des Erblassers. Im Übrigen kann, auch wenn § 2217 Abs. 1 BGB nicht auf Nutzungen anzuwenden ist, die dort enthaltene Regelung "als Richtschnur" herangezogen werden (vgl. Rdn 144).
Rz. 108
Soweit keine besonderen Verwaltungsanordnungen des Erblassers vorliegen, werden bei Vorliegen einer Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 BGB je nach Fallgestaltung folgende Aufgaben und Pflichten vom Testamentsvollstrecker im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu erfüllen sein:
1. |
Geltendmachung von Nachlassrechten im Hinblick auf ggf. noch für den Nachlass geltend zu machende Forderungen. |
2. |
Ausführung der letztwilligen Verfügungen nach Prüfung der Rechtswirksamkeit, ggf. Auslegung durch den Testamentsvollstrecker. Bei Streitfällen kann auch die Klärung im Wege der Feststellungsklage erforderlich werden. |
3. |
Eingehung von Dauerschuldverhältnissen, insbesondere bei Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz. |
4. |
Verwendung von Nachlasserträgen, z.B. Überlassung an die Erben zur Erhaltung eines angemessenen Unterhaltes der Erben oder zur Begleichung nachlassbezogener Steuern. |
5. |
Anlage von Geld und Verwaltung von Wertpapieren. |
6. |
Verkehrssicherungs- und Überwachungspflichten im Zusammenhang mit Nachlassgegenständen, wie z.B. Räum- und Streupflicht auf einem Nachlassgrundstück. |
7. |
Beschränkung der Erbenhaftung durch Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 317 InsO), Antrag auf Nachlassverwaltung (§ 1981 BGB) und Einleitung des Aufgebotsverfahrens zum Zweck der Ausschließung von Nachlassgläubigern (§§ 1970 ff. BGB). |
Rz. 109
Hat der Erblasser in seinem Testament besondere Anordnungen für die Verwaltung getroffen, so ist der Testamentsvollstrecker hieran gebunden, § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB. Solche Anordnungen betreffen z.B. die Verwendung von Nachlasserträgen, die Zuteilung von Nachlassgegenständen bei der Nachlassteilung oder das Verbot, über bestimmte Nachlassgegenstände zu verfügen.