Rz. 1
Die Testamentsvollstreckung bzw. die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers bildet eine wichtige Gestaltungsmöglichkeit, die dem Erblasser auch nach seinem Tod noch die Möglichkeit bietet, auf die Verwaltung des Nachlasses im Ganzen oder in Teilen Einfluss zu nehmen bzw. die Art und Weise sowie den Zeitpunkt der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben zu steuern.
Im Gegensatz zu der Gestaltungsmöglichkeit des Erblassers, einer Vertrauensperson eine Vollmacht über den Tod hinaus (vgl. § 2 Rdn 1 ff.) zu erteilen und so die Fürsorge für den Nachlass dieser Person zu übertragen, besteht unter anderem der wesentliche Vorteil der Anordnung der Testamentsvollstreckung darin, dass anders als bei der bloßen Vollmachtserteilung, § 168 BGB, die Erben nicht die Möglichkeit haben, dem Testamentsvollstrecker die Verfügungsbefugnis durch Widerruf zu entziehen. Die freie Stellung des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben gibt dem Erblasser die Möglichkeit, unabhängig von dem Eigentum der Erben am Nachlass aufgrund Gesamtrechtsnachfolge, § 1922 BGB, seine eigenen Vorstellungen von der Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses auch gegen den Willen der Erben zu steuern. Das Rechtsinstitut der Testamentsvollstreckung bietet vielfältige Möglichkeiten und Gestaltungsformen, um dem Wunsch des Erblassers Rechnung zu tragen, "eine funktionierende Erbregelung zu erlassen, die einerseits die Familie versorgt, andererseits das erarbeitete Vermögen erhält. Komplexe Nachlässe, keine oder nicht geeignete Nachfolger oder unübersichtliche Familienverhältnisse gefährden dieses Ziel. Die persönliche und fachliche Eignung des Erben spielt naturgemäß bei zu vererbenden Betriebsvermögen eine größere Rolle als bei bloßem Privatvermögen."
Im Vordergrund steht hierbei der im Wesen der Testamentsvollstreckung liegende Ausschluss der Erben von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass nach § 2211 BGB und die Übertragung an die Person des Testamentsvollstreckers nach § 2205 BGB. Die Erben werden "Nutznießer des Nachlasses ohne Eingriffsmöglichkeit". Durch die Möglichkeit der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung, § 2209 BGB, kann der Erbe dabei über einen erheblichen Zeitraum vom Zugriff auf die Substanz des Nachlasses ausgeschlossen werden bzw. gewährleistet werden, dass der Nachlass auch bei einvernehmlicher Entscheidung sämtlicher Erben nicht auseinander gesetzt werden kann, was durch die bloße Anordnung des Erblassers nach § 2044 BGB nicht sichergestellt ist. Die Vermeidung der Auseinandersetzung kann hierbei nach dem Willen des Erblassers auch zum Schutz einzelner "schwächerer Erben" gewünscht sein. Ebenfalls ist hierdurch ein Schutz des Nachlasses vor Eigengläubigern der einzelnen Erben möglich, da der Nachlass durch Anordnung der Testamentsvollstreckung Sondervermögen wird, über welches ausschließlich der Testamentsvollstrecker verfügungsbefugt ist. Beobachtet man die steigende Anzahl von Verbraucherinsolvenzen und überschuldeten Haushalten, so zeigt dies, dass das Gestaltungsinstrument der Testamentsvollstreckung im Bereich der erbrechtlichen Beratung und anwaltlichen Tätigkeit ebenfalls eine erhebliche Bedeutung einnimmt bzw. einnehmen wird. Dabei hat in jüngster Zeit die Testamentsvollstreckung nicht nur Bedeutung in den traditionellen Fällen, also bei Nachlässen von großem Wert, bei der Verfolgung des Zieles der zweckmäßigen Aufteilung des Nachlasses, bei zu vererbendem Betriebsvermögen oder bei zu befürchtender Uneinigkeit unter den Erben, sondern gewinnt zunehmend auch an Bedeutung als Gestaltungsinstrument zur Vermeidung des Sozialhilferegresses, d.h. als wesentlicher und notwendiger Bestandteil der Gestaltung von letztwilligen Verfügungen in Form des sog. Behindertentestaments.