I. Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers
Rz. 12
Schon das Reichsgericht vertrat die Auffassung, dass der Testamentsvollstrecker nicht Vertreter des Erben ist. Auch der BGH verfolgte diese Ansicht in seinen Entscheidungen regelmäßig weiter. Danach führt der Testamentsvollstrecker,
Zitat
"wie dies auch das Gesetz in den §§ 2201, 2202 BGB sagt, ein Amt aus, und zwar unabhängig vom Willen der Erben entsprechend der letztwilligen Verfügung des Erblassers".
Zitat
"Er hat die Stellung eines Treuhänders und ist Inhaber eines privaten Amtes, zu dem er allein durch den Willen des Erblassers berufen ist, auch wenn er von anderer Seite zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist."
Die hierzu gegensätzlich vertretene Ansicht, wonach der Testamentsvollstrecker Vertreter oder Beauftragter des Erblassers oder des Nachlasses ist, wird zwischenzeitlich von der herrschenden Meinung abgelehnt. Ebenso scheidet eine Stellung des Testamentsvollstreckers als Vertreter der Erben aus, da er, auch wenn mit der Annahme des Amtes ein "gesetzliches Pflichtverhältnis eigener Art" zwischen ihm und den Erben besteht, auch gegen diese vorgehen kann (vgl. z.B. § 2206 Abs. 2 BGB).
Der Testamentsvollstrecker übt danach sein Amt aus eigenem Recht aus und hat eine weitgehend freie Stellung gegenüber den Erben. Er hat als Träger einer ihm vom Erblasser verliehenen Verwaltungs- und Verfügungsmacht seine Entscheidungen nicht nach der subjektiven Meinung der Erben, sondern allein nach objektiven Gesichtspunkten zu treffen. Auch wenn er somit sein Amt aus eigenem Recht ausübt, hat er sich doch bei seinem Handeln nach außen als Testamentsvollstrecker zu bezeichnen, um aus seinen Rechtsgeschäften nicht persönlich haftbar gemacht werden zu können, was ihn neben seiner Verwaltungstätigkeit für den Nachlass der Stellung eines Vertreters annähert.
Auch aus dem Prozessführungsrecht des Testamentsvollstreckers für Aktivprozesse ergibt sich zudem seine besondere Stellung. So kann allein der Testamentsvollstrecker ein seiner Verwaltung unterliegendes Recht gerichtlich geltend machen (vgl. § 2212 BGB). Er ist danach "Partei kraft Amtes" und nicht nur Vertreter der Erben. Er führt die Prozesse in eigenem Namen, aber notwendigerweise als Testamentsvollstrecker zur Vermeidung der eigenen Verpflichtung.
Rz. 13
Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers lässt es daneben zu, Vereinbarungen zwischen dem Testamentsvollstrecker und Dritten oder den Erben zu treffen, dass er einzelne oder mehrere Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen hat, soweit er sich nicht seiner Unabhängigkeit und Selbstständigkeit gegenüber den Erben völlig begibt. Anderenfalls wäre die vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung in ihrem Wesen so weit ausgehöhlt, dass sie nur noch als leere Form bestehen würde.
II. Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben
Rz. 14
Der Testamentsvollstrecker hat entsprechend den obigen Ausführungen (siehe Rdn 12) nicht die Stellung eines Vertreters oder Beauftragten, jedoch bestimmt § 2218 BGB die entsprechende Anwendung der Auftragsvorschriften. Es kommt also nicht zu einer Anwendung der Auftragsvorschriften aufgrund eines vertraglichen Auftragsverhältnisses, sondern aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Testamentsvollstrecker und Erben. Die Erben sind dabei anders als bei einem vertraglichen Auftragsverhältnis nicht gegenüber dem Testamentsvollstrecker weisungsbefugt.
Rz. 15
Das Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben ist weiterhin dadurch geprägt, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung die Verfügungsbefugnis des Erben über solche Gegenstände, die der Testamentsvollstreckung unterliegen, entzieht (§ 2211 BGB). Der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegt – vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung durch den Erblasser – dabei auch ein in den Nachlass fallender Pflichtteilsanspruch, also einer in der Person des Erblassers entstandener Pflichtteilsanspruch. Der Erbe ist damit durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung beschränkt, was schließlich auch nach der bis 31.12.2009 gültigen Fassung des § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB dazu führen konnte, dass die Beschränkung als nicht angeordnet galt, soweit dem Erben weniger als der Pflichtteil hinterlassen wurde, bzw. ihm nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB das Recht der Ausschlagung der Erbschaft gab, soweit der ihm hinterlassene Erbteil größer war als der Pflichtteil. Nach der ab 1.1.2010 gültigen Fassung des § 2306 Abs. 1 BGB besteht für den beschränkten Erben unabhängig von der Höhe des zugewendeten Erbteils das Recht zur Ausschlagung.
Rz. 16
Aus seiner Rechtsstellung hat der Testamentsvollstrecker das Recht, vom Erben die Herausgabe des Nachlasses zu verlangen...