I. Haftungsgrundlagen
Rz. 252
Für die Haftung des Testamentsvollstreckers enthält § 2219 BGB eine eigene Regelung, nachdem zwischen Testamentsvollstrecker und Erben keine vertragliche Beziehung besteht und daher vertragliche Haftungsgrundlagen nicht anwendbar sind. Dem Erben haftet der Testamentsvollstrecker für schuldhafte Pflichtverletzungen, die aus seiner freien Stellung entstehen und durch die er gegenüber dem Erben Schuldner eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ist. Die Haftung nach § 2219 BGB geht dabei regelmäßig auch den berufsrechtlichen Haftungsvorschriften, wie z.B. § 19 BNotO voraus, soweit der Testamentsvollstrecker einer entsprechenden Berufsgruppe angehört. Ergänzend kommen diese Haftungsvorschriften lediglich dann zur Anwendung, wenn der Testamentsvollstrecker ein besonderes Mandat, z.B. als Rechtsanwalt zur Prozessführung, übernimmt, wobei hier regelmäßig Abgrenzungsfragen auftreten und wohl nahezu sämtliche Tätigkeiten der Nachlassverwaltung zugeordnet werden können. Hieraus folgt auch, dass Schadensersatzansprüche gegen einen als Testamentsvollstrecker tätigen Rechtsanwalt nach § 2219 Abs. 1 BGB erst nach 30 Jahren seit Entstehung verjähren.
Rz. 253
Aus § 2220 BGB ergibt sich, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht von der Haftung des § 2219 BGB befreien kann. Allerdings kann der Erbe dem Testamentsvollstrecker, außer bei Vorsatz (§ 276 Abs. 1 BGB), die Haftung durch individuelle Vereinbarung erlassen und nachträglich auf einen Schadensersatzanspruch verzichten. Gleiches gilt, soweit der Testamentsvollstrecker eine Verwaltungsmaßnahme mit Zustimmung der Erben vornimmt bzw. er bei Eingehung von Verbindlichkeiten gegen die Erben seinen Anspruch auf Einwilligung (§ 2206 Abs. 2 BGB) durchsetzt.
Rz. 254
Neben der spezielleren Haftungsnorm des § 2219 BGB kommt als Haftungsgrundlage auch die Haftung des Testamentsvollstreckers aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 ff. BGB in Betracht. § 2219 BGB ist jedoch umfassender, da sie – anders als die §§ 823 ff. BGB – auch bei Fahrlässigkeit des Testamentsvollstreckers die Haftung für Vermögensschäden umfasst. Da § 2219 BGB jedoch lediglich den Erben und den Vermächtnisnehmer als Anspruchsgläubiger nennt, ist die Haftung des Testamentsvollstreckers aus unerlaubter Handlung für das Verhältnis zu den sonstigen Beteiligten von Bedeutung.
Rz. 255
Als weitere Haftungsnorm kommt § 69 AO wegen der steuerlichen Pflichten des Testamentsvollstreckers in Betracht.
II. Wem haftet der Testamentsvollstrecker?
Rz. 256
Aus § 2219 BGB ergibt sich, dass die Haftungsnorm lediglich im Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben sowie Vermächtnisnehmer einschlägig ist. Für sonstige Beteiligte, zu denen auch Pflichtteilsberechtigte, Auflagenbegünstigte, Nachlassgläubiger und Nachlassschuldner gehören, besteht kein Anspruch aus § 2219 BGB. Diesen gegenüber haftet der Testamentsvollstrecker persönlich aus unerlaubter Handlung, auch wenn er diese bei der Verwaltung des Nachlasses begangen hat.
Rz. 257
Zu den nach § 2219 BGB geschützten Anspruchsinhabern gehört neben dem Erben und Vermächtnisnehmer auch der Nacherbe, wenn der Nacherbfall eintritt, nicht der Schlusserbe. Bei der Nacherbenvollstreckung nach § 2222 BGB gilt § 2219 BGB entsprechend.
Rz. 258
Soweit anspruchsberechtigte Gläubiger die Erben sind, handelt es sich um einen Anspruch des Nachlasses gem. §§ 2039, 2040, 2041 BGB. Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs obliegt wegen § 2212 BGB dem neuen Testamentsvollstrecker bzw., wenn ein solcher nicht bestellt ist, dem Erben oder der Erbengemeinschaft, und zwar auch schon, während der in Anspruch genommene Testamentsvollstrecker noch im Amt ist. Die Klage des einzelnen Erben kann, außer in den Fällen, in denen er alleine, z.B. bei der Erbauseinandersetzung, geschädigt ist, nur auf Leistung an die Erbengemeinschaft erhoben werden.
III. Haftungsvoraussetzungen
Rz. 259
Die Haftung des Testamentsvollstreckers setzt eine (objektive) Verletzung der ihm obliegenden Verpflichtungen und ein (subjektives) Verschulden voraus. Beide Anspruchsvoraussetzungen muss der Anspruchsteller beweisen, wobei an die Sorgfaltspflichten des Testamentsvollstreckers hohe Anforderungen gestellt werden.
1. Objektive Pflichtverletzung
Rz. 260
Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung sind die dem Testamentsvollstrecker durch das Gesetz auferlegten Pflichten (§§ 2203–2209, 2215–2218, 2226 S. 3 i.V.m. § 671 Abs. 2 S. 3 BGB) und die Anordnungen des Erblassers, nicht jedoch die Weisungen der Erben. Auch der Wille des Erblassers kann bei der Ermittlung der Pflichten des Testamentsvollstreckers Bedeutung haben. Bei der Bemessung der dem Testamentsvollstrecker obliegenden Pflichten handelt es sich haupt...