1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 53

Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn einer der Unterhaltstatbestände erfüllt ist (vgl. das Prüfungsschema "Ehegattenunterhalt" in Fall 16, § 3 Rdn 29 ff.). Im Fallbeispiel soll ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt bestehen.

2. Bedarf der F1

a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1

aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?

(1) Kind aus erster Ehe

 

Rz. 54

Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar der Zahlbetrag.

(2) Kind aus zweiter Ehe

 

Rz. 55

Es erfolgt kein Vorwegabzug des Kindesunterhalts aus zweiter Ehe. Denn das Kind K2 entstammt der zweiten Ehe (nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren) und hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1).

Der Kindesunterhalt für K2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. auch Fall 43, siehe Rdn 1). Es erfolgt somit nur ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts für K1.

2.200 (Einkommen M) – 286,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt für K1) = 1.913,50 EUR

Diese 1.913,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.

bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2

 

Rz. 56

F2 ist zwar gleichrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.

Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt.

 

BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32

Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).

 

Hinweis

Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau wird der Unterhalt für die erste Ehefrau zu berücksichtigen sein (siehe unten Rdn 62 ff.).

Zuvor ist jedoch jedes Einkommen, soweit es aus Erwerbstätigkeit (und nicht bspw. Kapital oder aus Vermietung oder aus einer Altersversorgung) erzielt wird, um 1/10 zu kürzen (sog. Erwerbstätigenbonus).

Einkommen M nach Abzug des Unterhalts für K1: 1.913,50 EUR

Erwerbstätigenbonus: 1.913,50 EUR × 10 % = 191 EUR

Das bedarfsbestimmende Einkommen des M beträgt 1.722,50 EUR (1.913,50 – 191 EUR).

b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1

 

Rz. 57

Einkommen F1: 500 EUR

Erwerbstätigenbonus: 500 EUR × 10 % = 50 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 500 – 50 EUR = 450 EUR

c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode

 

Rz. 58

Die Dreiteilungsmethode kommt bei der Bedarfsbestimmung nicht zur Anwendung (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).

Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).

d) Halbteilungsgrundsatz

 

Rz. 59

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1.722,50 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 450 EUR

Gesamtbedarf: 2.172,50 EUR (1.722,50 + 450 EUR)

Bedarf von F1: ½ von 2.172,50 EUR = 1.086 EUR

3. Ungedeckter Restbedarf (Unterhaltshöhe)

 

Rz. 60

Unterhaltsanspruch der F1 (= ungedeckter Restbedarf): ermittelter Bedarf abzüglich das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte Eigeneinkommen = 1.086 – 450 EUR = 636 EUR

4. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 61

M hätte 636 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen. Ihm bliebe nach Abzug dieses Unterhalts und des Kindesunterhalts für K1 (286,50 EUR) ein Betrag von 1.277,50 EUR (2.200 – 636 – 286,50 EUR), aus dem auch der Kindesunterhalt für K2 (286,50 EUR) und zudem der Unterhalt für die kinderbetreuende F2 aufzubringen wäre.

a) Weitere Unterhaltspflichten

 

Rz. 62

Diese weiteren Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1 ff.).

b) Berücksichtigungsfähige sonstige Unterhaltspflichten des M?

 

Rz. 63

Eine weitere Unterhaltspflicht kann eine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 sein (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1).

aa) Kindesunterhalt für K2

 

Rz. 64

Zunächst kann der Kindesunterhalt für K2 berücksichtigt werden.

bb) Ehegattenunterhalt für F2?

(1) Kein Nachrang der F2

 

Rz. 65

Eine nachrangige zweite Ehefrau könnte unberücksichtigt bleiben. Die neue Ehefrau muss also vorrangig oder zumindest gleichrangig sein.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09

Allerdings muss es sich bei dem hinzugetretenen Unterhalt um eine dem Geschiedenenunterhalt zumindest gleichrangige Verpflichtung handeln (Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09).

(2) Gleichrang oder Vorrang der F2

 

Rz. 66

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Ist die geschiedene Ehefrau … gleichrangig, sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1581 BGB grundsätzlich auch die neu hinzugekommenen Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen.

F2 ist hier gleichrangig, weil sie ebenfalls ein Kind betreut (§ 1609 Nr. 2). Ein Unterhaltsanspruch der F2 kann sich auf den Unterhalt der F1 auswirken (anders bei Vorrang der F1 vgl. Fälle 38 und 39, § 11 Rdn 1 ff., 32 ff.).

Um die Auswirkungen des Unterhaltsanspruchs der F2 auf die Leistungsfähigkeit des M feststellen zu können, ist zunächst der Unterhalt bzw. Bedarf der F2 zu ermitteln.

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