1. Anspruchsgrundlage
Rz. 3
Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn einer der Unterhaltstatbestände erfüllt ist (vgl. das Prüfungsschema "Ehegattenunterhalt" in Fall 16, siehe § 3 Rdn 31). Im Fallbeispiel besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt.
2. Bedarf der F1
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1
aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?
(1) Kind aus erster Ehe
Rz. 4
Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar der Zahlbetrag.
(2) Kind aus zweiter Ehe
Rz. 5
Das Kind K2 ist aus der zweiten Ehe und somit nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren. Der Unterhalt für das Kind hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt. Der Unterhalt für K2 ist deshalb bei der Ermittlung des bedarfsbestimmenden Einkommens in Bezug auf F1 nicht abzuziehen.
Das BVerfG hat hierzu in seiner Entscheidung, mit der die "Wandelbarkeit" der ehelichen Verhältnisse verneint wurde, allerdings nicht ausdrücklich Stellung genommen. Das BVerfG hat offen gelassen, ob nachehelich geborene Kinder einen Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen haben, der eine Berücksichtigung des Unterhalts bei der Bedarfsbestimmung der geschiedenen Ehefrau gestattet (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
Ausdrücklich abgelehnt hat das BVerfG nur die Berücksichtigung von Ehegattenunterhalt.
Jedoch wurde vom BGH zwischenzeitlich entschieden:
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
Auch der Vorteil des Zusammenlebens des Klägers in seiner neuen Ehe kann sich nur im Rahmen der Konkurrenz des Unterhaltsanspruchs seiner neuen Ehefrau mit dem Unterhaltsanspruch der Beklagten im Rahmen der Leistungsfähigkeit auswirken, nicht hingegen auf die gebotene Bedarfsbemessung im Wege der Halbteilung der ehelichen Lebensverhältnisse.
Der Kindesunterhalt für K2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen.
Es erfolgt somit nur ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts für K1.
4.000 (Einkommen M) – 397,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt für K1) = 3.602,50 EUR
Diese 3.602,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts von F1 ein.
bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2
Rz. 6
F2 ist zwar gleichrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.
Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1).
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).
Hinweis
Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau wird der Unterhalt für die erste Ehefrau zu berücksichtigen sein (siehe unten Rdn 17).
Bereinigtes Nettoeinkommen des M nach Abzug des Unterhalts für K1: 3.602,50 EUR
Erwerbstätigenbonus: 3.602,50 EUR × 10 % = 360 EUR
Zwischenergebnis: Bedarfsbestimmendes Einkommen des M im Verhältnis zu F1: 3.602,50 – 360 EUR = 3.242,50 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 7
Bereinigtes Nettoeinkommen der F1: 500 EUR
Erwerbstätigenbonus: 500 EUR × 10 % = 50 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 500 – 50 EUR = 450 EUR
c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode
Rz. 8
Die Dreiteilungsmethode kommt nicht zur Anwendung (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
d) Halbteilungsgrundsatz
Rz. 9
Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 3.242,50 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1: 450 EUR
Gesamtbedarf: 3.692,50 EUR (3.242,50 + 450 EUR)
Bedarf von F1: ½ von 3.692,50 EUR = 1.846 EUR
3. Ungedeckter Restbedarf (Unterhaltshöhe)
Rz. 10
Unterhaltsanspruch der F1 (= ungedeckter Restbedarf): ermittelter Bedarf abzüglich das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte Eigeneinkommen = 1.846 – 450 EUR = 1.396 EUR.
4. Leistungsfähigkeit des M
Rz. 11
M hätte 1.396 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen.
Ihm bliebe nach Abzug dieses Unterhalts (1.396 EUR) und des Kindesunterhalts für K1 (397,50 EUR) ein Betrag von 2.206,50 EUR (4.000 – 1.396 – 397,50 EUR), aus dem auch der Kindesunterhalt für K2 (397,50 EUR) und auch der Unterhalt für die kinderbetreuende F2 aufzubringen wäre.
Beim Selbstbehalt gegenüber einem Ehegatten ist zu beachten, dass der in den Leitlinien genannte Betrag von 1.280 EUR nur ein Mindestbetrag ist. Ansonsten entspricht der eigene angemessene Unterhalt i.S.v. § 1581 (eheangemessener Selbstbehalt) betragsmäßig dem eheangemessenen Unterhalt i.S.v. § 1578 Abs. 1 S. 1 (vgl. hierzu auch Fall 18 und 33, siehe § 3 Rdn 94, § 9 Rdn 1).
a) Weitere Unterhaltspflichten
Rz. 12
Die weiteren Unterhaltspflichten können Auswi...