1. Anspruchsgrundlage
Rz. 30
Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn einer der Unterhaltstatbestände erfüllt ist (vgl. das Prüfungsschema "Ehegattenunterhalt" in Fall 16, § 3 Rdn 28 ff.). Im Fallbeispiel besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (vgl. hierzu Fall 19, siehe § 4 Rdn 1).
2. Bedarf der F1
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1
aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?
(1) Kind aus erster Ehe
Rz. 31
Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar der Zahlbetrag.
(2) Kind aus zweiter Ehe
Rz. 32
Das Kind K2 stammt aus der zweiten Ehe und ist somit nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren. Der Unterhalt für das Kind hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt. Der Unterhalt für K2 ist deshalb bei der Ermittlung des bedarfsbestimmenden Einkommens in Bezug auf F1 nicht abzuziehen.
Ein nach Rechtskraft der Scheidung geborenes Kind aus einer anderen Beziehung ist nicht zu berücksichtigen, da dieser Kindesunterhalt die erste Ehe nicht geprägt hat (vgl. hierzu Fall 43, siehe Rdn 1).
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
Der Kindesunterhalt für K2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen.
Es erfolgt also nur ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts für K1.
2.200 (Einkommen M) – 286,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt für K1) = 1.913,50 EUR
Diese 1.913,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.
bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2
Rz. 33
F2 ist zwar gleichrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.
Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt.
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).
Hinweis
Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau ist aber der Unterhalt für die erste Ehefrau zu berücksichtigen (siehe unten).
Das Einkommen ist, soweit es aus Erwerbstätigkeit (und nicht bspw. Kapital oder aus Vermietung oder aus einer Altersversorgung) erzielt wird, um 1/10 zu kürzen (sog. Erwerbstätigenbonus).
Einkommen M: 1.913,50 EUR
Erwerbstätigenbonus: 1.913,50 EUR × 10 % = 191 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1.913,50 – 191 EUR = 1.722,50 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 34
F1 ist im Fallbeispiel ohne Einkommen. Sie soll im Fallbeispiel auch keine Erwerbsobliegenheit treffen.
Einkommen F1: 0 EUR
c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode
Rz. 35
Die Dreiteilungsmethode kommt bei der Bedarfsbestimmung nicht zur Anwendung (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
d) Halbteilungsgrundsatz
Rz. 36
Gesamtbedarf: 1.722,50 EUR (1.722,50 + 0 EUR)
Bedarf von F1: ½ von 1.722,50 EUR = 861 EUR
3. Ungedeckter Restbedarf (Unterhaltshöhe)
Rz. 37
Unterhaltsanspruch der F1 (= ungedeckter Restbedarf): ermittelter Bedarf abzüglich das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte Eigeneinkommen = 861 – 0 EUR = 861 EUR.
4. Leistungsfähigkeit des M
Rz. 38
M hätte 861 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen. Ihm bliebe nach Abzug dieses Unterhalts und des Kindesunterhalts für K1 (2.865,50 EUR) ein Betrag von 1.052,50 EUR (2.200 – 861 – 286,50 EUR), aus dem auch der Kindesunterhalt für K2 (286,50 EUR) und auch der Unterhalt für die F2, die auch ein Kind betreut, aufzubringen wäre.
a) Weitere Unterhaltspflichten
Rz. 39
Die weiteren Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1). Denn eine weitere Unterhaltspflicht kann eine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 sein (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1).
b) Berücksichtigungsfähige sonstige Unterhaltspflichten des M?
aa) Kindesunterhalt für K2
Rz. 40
Zunächst kann der Kindesunterhalt für K2 berücksichtigt werden. Der Kindesunterhalt wurde nur in Höhe des Mindestunterhalts (Einkommensgruppe 1) angesetzt. Die Frage einer weiteren Herabsetzung stellt sich deshalb nicht.
bb) Kein Nachrang der F2
Rz. 41
Eine nachrangige zweite Ehefrau könnte unberücksichtigt bleiben. Die neue Ehefrau muss also vorrangig oder zumindest gleichrangig sein.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09
Allerdings muss es sich bei dem hinzugetretenen Unterhalt um eine dem Geschiedenenunterhalt zumindest gleichrangige Verpflichtung handeln (Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09).
cc) Gleichrang oder Vorrang der F2
Rz. 42
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Ist die geschiedene Ehefrau … gleichrangig, sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1581 BGB grundsätzlich auch die neu hinzugekommenen Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen.
F2 ist hier gleichrangig, weil sie ebenfalls ein Kind betreut (§ 1609 N...