Norbert Schneider, Lotte Thiel
I. Überblick
Rz. 24
Abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen (siehe Rdn 2) werden ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf (§ 108 Abs. 1 FamFG). § 108 FamFG normiert den bereits in § 328 ZPO enthaltenen Grundsatz der automatischen Anerkennung.
Rz. 25
Gem. § 108 Abs. 2 S. 1 FamFG können aber Beteiligte, die ein rechtliches Interesse daran haben, eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung nichtvermögensrechtlichen Inhalts beantragen. Wird auf Antrag festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung oder Nichtanerkennung vorliegen, so ist die Entscheidung für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend (§§ 108 Abs. 2 S. 2, 107 Abs. 9 FamFG). Anerkennungshindernisse ergeben sich aus § 109 Abs. 1 FamFG.
Rz. 26
Für die Entscheidung über diesen Antrag nach § 108 Abs. 2 S. 1 FamFG ist gem. § 108 Abs. 3 FamFG das FamG zuständig, in dessen Bezirk sich der Antragsgegner oder die Person, auf die sich die Entscheidung bezieht, zum Zeitpunkt der Antragstellung gewöhnlich aufhält (Nr. 1) oder, wenn danach eine Zuständigkeit nicht gegeben ist, das Interesse an der Feststellung bekannt wird oder ein Bedürfnis der Fürsorge besteht. Die Zuständigkeitsregelungen sind nach § 108 Abs. 3 S. 2 FamFG ausschließlich.
Rz. 27
Für die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Entscheidung über die Annahme als Kind gelten jedoch die §§ 2, 4 und 5 AdWirkG, wenn der Angenommene zum Zeitpunkt der Annahme noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte (§ 108 Abs. 2 S. 3 FamFG). Nach § 2 Abs. 1 AdWirkG stellt das FamFG auf Antrag fest, ob eine Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam ist. Nach § 4 AdWirkG sind antragsbefugt der Annehmende, das Kind, ein bisheriger Elternteil, der Standesbeamte und diejenigen Verwaltungsbehörden, die nach dem Personenstandsgesetz zuständig sind.
Rz. 28
Über Anträge nach § 2 Abs. 1 AdWirkG entscheidet das FamG, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, für den Bezirk dieses OLG.
Rz. 29
Bei den Anerkennungsverfahren gem. § 108 FamG handelt es sich weder um eine Familienstreitsache noch um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern um ein "Verfahren mit Auslandsbezug", das sowohl im FamFG (Buch 1 Abschnitt 9) als auch im FamGKG (Teil 1 Abschnitt 7) gesondert geregelt ist.
Rz. 30
Die Entscheidungen des FamG sind mit der Beschwerde anfechtbar. Eine Entscheidung nach § 108 FamFG ist eine Endentscheidung i.S.d. § 38 FamFG, so dass die §§ 58 ff. FamFG unmittelbar anzuwenden sind.
Rz. 31
Entscheidungen des FamG im Verfahren über einen Antrag nach § 2 Abs. 1 AdWirkG sind nach § 5 Abs. 4 S. 2 AdWirkG mit der Beschwerde anfechtbar; die §§ 58 ff. FamFG sind entsprechend anzuwenden.
Rz. 32
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist mit der Rechtsbeschwerde (§§ 70 ff. FamFG) anfechtbar.
II. Gegenstandswert
Rz. 33
Da im gerichtlichen Verfahren Festgebühren erhoben werden (Nrn. 1714 ff. FamGKG-KostVerz.), ist § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nicht anwendbar. Es gilt § 23 Abs. 1 S. 2 RVG, wonach die Wertvorschriften des FamGKG entsprechend anzuwenden sind.
Rz. 34
Der Gegenstandswert ist auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen.
Rz. 35
Die Höhe des Gegenstandswerts ist in entsprechender Anwendung des § 42 FamGKG zu bestimmen, da eine ausdrückliche Regelung im FamGKG fehlt. Sowohl im Rahmen des § 42 Abs. 1 FamGKG (vermögensrechtliche Angelegenheit) als auch des § 42 Abs. 2 FamGKG (nichtvermögensrechtliche Angelegenheit) dürften die Wertungen der besonderen Wertvorschriften des FamGKG ergänzend heranzuziehen sein.
Rz. 36
Betrifft das Anerkennungsverfahren eine ausländische Entscheidung, die auf eine bezifferte Geldforderung – die nicht auf EUR lauten muss – gerichtet ist, so dürfte § 35 FamGKG wertend heranzuziehen sein. Maßgebend ist der Wert der Forderung, und zwar zum Zeitpunkt der Einreichung des Anerkennungsantrags (§ 34 FamGKG).
Rz. 37
Der Wert eines Verfahrens auf Anerkennung ausländischer Vollstreckungstitel über Unterhalt dürfte ebenfalls nach der Wertung des § 35 FamGKG zu bemessen sein und, soweit er auf wiederkehrende Leistung lautet, nach der Wertung des § 51 Abs. 1, 2 FamGKG. Der Zeitpunkt der Fälligkeit i.S.d. § 51 Abs. 1, 2 FamGKG richtet sich nach zutreffender Ansicht nach dem Zeitpunkt der Antragstellung im zugrunde liegenden ausländischen gerichtlichen Verfahren. Handelt es sich dabei um einen Titel, der ohne Antrag erlassen worden ist, so sind die Beträge, die bis zu dem Erlass des Titels fällig geworden sind, maßgebend. Nach anderer Auffassung soll wohl stets auf den Zeitpunkt des Erlasses des ausländischen Urteils abzustellen sein. Fällige Beträge aus der Zeit nach dessen Erlass sind jedenfalls nach allen Auffassungen nicht hinzuzurechnen.
Beispiel 6: Wertberechnung bei Anerkennung eines ausländischen Titels auf wiederkehrenden Unterha...