Dr. iur. Matthias Franzke
Rz. 5
Auch wenn die Terminologie teilweise divergiert, haben sich in der Praxis folgende Betrugsvarianten herauskristallisiert.
I. Gestellter oder verabredeter Verkehrsunfall
Rz. 6
Der gestellte oder abgesprochene Verkehrsunfall zeichnet sich dadurch aus, dass zwischen den Fahrzeugen zwar eine Kollision stattgefunden hat, Schädiger und Geschädigter diese aber im Vorhinein verabredet haben. Dabei handelt es sich um die häufigste Erscheinungsform der Unfallmanipulation mit dem Ziel, schwer verwertbare Fahrzeuge zu "entsorgen", finanziellen Gewinn mittels Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis und Billigreparatur zu generieren oder bereits vorhandene Fahrzeugschäden einem angeblich späteren Unfallereignis unterzuschieben. Eine besondere Form des gestellten Verkehrsunfalls ist das sogenannte "Berliner Modell". Ein parkendes Fahrzeug wird mit einem kurz zuvor gestohlenen Fahrzeug angefahren, wonach der Täter flüchtet und hierdurch unbekannt bleibt.
II. Provozierter Verkehrsunfall
Rz. 7
Auch bei den provozierten Verkehrsunfällen kommt es zu einer Kollision der beteiligten Fahrzeuge. Es fehlt allerdings an einem dolosen Zusammenwirken der Unfallbeteiligten. Der Täter führt den Zusammenstoß der Fahrzeuge gezielt herbei, indem er die Unachtsamkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers ausnutzt, wobei folgende Tatvarianten besonders praxisrelevant sind: Der Unfallprovokateur legt es darauf an, vor Ampelanlagen, Fußgängerüberwegen, Kreisverkehrsanlagen oder Straßeneinmündungen den nachfolgenden Verkehrs dadurch auffahren zu lassen, dass er abbremst, ohne durch die Verkehrslage dazu gezwungen zu sein. In einer weiteren Spielart nutzt er sein Vorfahrtsrecht oder einen Spurwechsel zur Herbeiführung eines Verkehrsunfalls aus.
Rz. 8
Diese Betrugsvariante ist von hoher krimineller Energie geprägt, da mögliche Personenschäden des vermeintlichen Unfallgegners einkalkuliert werden. Sie erfüllt den Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 StGB, und zwar regelmäßig in der – verbrechensbegründenden – Qualifikation nach § 315b Abs. 3 StGB.
III. Fingierter Verkehrsunfall
Rz. 9
Als reine "Papierunfälle" treten fingierte Verkehrsunfälle in Erscheinung. Dazu wird von den "Beteiligten" ein Unfallgeschehen behauptet und übereinstimmend dargestellt, ein solches hat jedoch nicht stattgefunden. Finanzielles Motiv ist in diesen Fällen regelmäßig die Inanspruchnahme eines Kraftfahrt-Haftpflichtversicherers für Schäden, die bereits eingetreten sind und für die kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht.
IV. Ausgenutzter Verkehrsunfall
Rz. 10
Beim ausgenutzten Verkehrsunfall hat eine Kollision zwischen den Fahrzeugen zwar stattgefunden. Sie wird allerdings vom Geschädigten missbraucht, um bereits vorhandene Vorschäden am Kraftfahrzeug mit geltend zu machen oder den Schaden nachträglich zu vergrößern. Diese Manipulationsvariante ist eng verknüpft mit dem verabredeten Unfall. Nach instanzgerichtlicher Rechtsprechung sollen vorgeschädigte Fahrzeuge signifikant häufig an verabredeten Verkehrsunfällen beteiligt sein. Die damit einhergehenden materiell-rechtlichen und prozessualen Besonderheiten sind in den Ausführungen zum Schadensumfang verortet.