Rz. 11

In betrugsindizierten Verkehrsunfallprozessen bestreitet der mitverklagte Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer regelmäßig mit Nichtwissen das Eigentum am Kraftfahrzeug und damit die Aktivlegitimation des Geschädigten. Dies schon deshalb, weil unklare Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug oder ein auffälliger Ablauf des behaupteten Eigentumserwerbs ebenso als Belastungsindizien für eine Unfallmanipulation qualifiziert werden[12] wie der Umstand, dass bestehendes Sicherungseigentum zugunsten eines Dritten nicht offengelegt wird.[13] Aus den Nachweisen über einen möglichen Eigentumserwerb können sich weitere wichtige Prüfungsmöglichkeiten zu Vorschäden am Fahrzeug, dessen Laufleistung und der Redlichkeit des Vortrags des Anspruchsstellers ergeben.[14]

 

Rz. 12

Ob der Geschädigte als Fahrzeugbesitzer durch bloßes Bestreiten der Aktivlegitimation zu konkretem Sachvortrag den Eigentumserwerb betreffend gezwungen werden kann, ist in der Rechtsprechung äußerst umstritten. Teilweise wird dies abgelehnt, da die Vermutungswirkung des § 1006 BGB den Besitzer nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast freistelle, dass und auf welcher Weise er mit dem Besitz das Eigentum erworben habe. Es sei dann Sache des Anspruchsgegners, die Eigentumsvermutung zu widerlegen.[15]

Nach der wohl überwiegenden Auffassung schließt die Regelung des § 1006 BGB demgegenüber nicht aus, dass den Besitzer wegen der Nähe zum darzulegenden Geschehensablaufs eine sekundäre Darlegungslast für die Umstände des vom Versicherer bestrittenen Eigentumserwerbs trifft.[16] Ein Bestreiten der Aktivlegitimation gegenüber dem Besitzer sei nach § 138 Abs. 4 ZPO auch zulässig, da jeder Anspruchsgegner eine ihm nicht bekannte Behauptung des klagenden Geschädigten mit Nichtwissen bestreiten könne.[17]

Der Anwalt des Geschädigten wird im Einzelfall die Ansicht des streitentscheidenden Gerichts zu berücksichtigen haben. Festzustellen ist, dass die Versicherer zunehmend greifbare Anhaltspunkte vortragen, aus denen sich nachvollziehbare Zweifel am Eigentum des Geschädigten ergeben, beispielsweise schlechte wirtschaftliche Verhältnisse mit ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung zum Zeitpunkt des angeblichen Fahrzeugerwerbs, anderer Fahrzeughalter, das Fehlen eines schriftlichen Kaufvertrags oder einer Rechnung, Beauftragung des Sachverständigen, Anmietung eines Ersatzfahrzeugs oder Weiterveräußerung des Fahrzeugs jeweils durch einen Dritten. Dann ist der Anspruchsteller zur ordnungsgemäßen Darlegung des Eigentumserwerbs gehalten.

Der Nachweis der streitigen Eigentümerstellung – Übereignung des Kraftfahrzeugs an den Geschädigten – richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 929 ff. BGB. Vom Geschädigten ist substantiiert vorzutragen, von wem er das Fahrzeug erworben und wie sich der behauptete Erwerbsvorgang vollzogen hat. Hierbei muss der Anwalt auf einen konsistenten Vortrag seines Mandanten hinwirken. Widersprüche und Unstimmigkeiten bei späterer informatorischer Anhörung des Anspruchstellers und Einvernahme von Zeugen führen bereits auf dieser Ebene häufig zur Klageabweisung.[18]

 

Rz. 13

Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB greift nur ein, wenn der Geschädigte zum Zeitpunkt des streitigen Unfallereignisses Besitzer des Fahrzeugs nach § 854 Abs. 1 BGB war. Solches wird vom Prozessgegner regelmäßig bestritten, so dass zunächst hierzu Beweis erhoben werden muss.[19] Hatte der Geschädigte das Kraftfahrzeug zum Unfallzeitpunkt einem anderen Fahrer überlassen, der nicht bloß Besitzdiener war – so regelmäßig bei der Gebrauchsüberlassung innerhalb der Familie –, fehlt es an den Voraussetzungen der Vermutungsregel.[20] Gleiches gilt, sofern der Geschädigte behauptet, der Pkw sei zum Unfallzeitpunkt geparkt gewesen mit abweichendem Aufenthalt des Anspruchstellers.

 

Rz. 14

Entgegen weit verbreiteter Auffassung folgt eine Eigentümerstellung des Geschädigten nicht bereits daraus, dass dieser zum Zeitpunkt des Unfalls in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen war. Die Zulassungsbescheinigung Teil II dokumentiert als verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben lediglich, auf welche Person ein Kraftfahrzeug bei der Zulassungsstelle zugelassen ist, sie ist kein Traditionspapier.[21] Entsprechend findet sich in der Zulassungsbescheinigung Teil II unter dem Namen und der Anschrift des Halters der Hinweis darauf, dass der Inhaber der Zulassungsbescheinigung nicht als Eigentümer des Fahrzeugs ausgewiesen wird. Ohnehin beweist die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht, dass die eingetragene Person Verfügungsberechtigter oder Halter des Fahrzeugs ist, auf welches sich die Bescheinigung bezieht.[22]

 

Rz. 15

Die bloße Vorlage eines Vertrages über die spätere Veräußerung des Fahrzeugs durch den Geschädigten indiziert ebenso wenig Eigentum am Kraftfahrzeug im relevanten Zeitpunkt.[23]

[12] OLG Brandenburg, Urt. v. 25.9.2008 – 12 U 202/07 – juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2013 – I-1 U 132/12 – juris.

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