Dr. iur. Matthias Franzke
Rz. 34
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft betreibt über die informa HIS GmbH das Hinweis- und Informationssystem. Gem. Verlautbarung des GdV soll dieses System die Versicherer bei der Aufklärung von Schadenfällen mit Manipulationsverdacht unterstützen. Danach können Fahrzeuge gemeldet werden, soweit als besondere Schadenfolge ein Fahrzeugschaden fiktiv abgerechnet wird, eine gewisse Schadenhöhe überschritten oder ein Totalschaden eingetreten ist. Da durch die Einmeldung in das HIS nur fahrzeugspezifische, und damit keine schutzwürdigen Belange im Sinne des Datenschutzrechts betroffen sind, besteht kein Löschungsanspruch des Verkehrsunfallgeschädigten.
Rz. 35
Angesichts dessen verwundert es nicht, dass sich der Anwalt des Geschädigten zunehmend mit dem Einwand des Haftpflichtversicherers auseinandersetzen muss, das unfallgeschädigte Fahrzeug habe nach entsprechenden Recherchen bereits einen oder mehrere, möglicherweise massive Vorschäden erlitten. Der Versicherer kann insoweit auch die Schadenshöhe mit Nichtwissen bestreiten. Aus dieser Grundkonstellation hat sich zwischenzeitlich eine reichhaltige Rechtsprechung entwickelt, die terminologisch unter den Begriff der Vorschadensproblematik subsumiert werden kann.
1. Grundsätze
Rz. 36
Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt dem Geschädigten die Beweislast für die Entstehung und die Höhe des behaupteten Fahrzeugschadens. Die Darlegungs- und Beweisanforderungen zur haftungsausfüllenden Kausalität werden durch § 287 Abs. 1 ZPO abgemildert. Danach genügt es, wenn der Geschädigte eine geeignete Schätzungsgrundlage beibringt, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bietet. Dies gilt insbesondere für die Darlegung und den Nachweis, dass ein Schaden nach Art und Umfang auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist. Als Schätzungsgrundlage im Sinne substantiierten Parteivortrags akzeptieren die Gerichte grundsätzlich das vom Geschädigten eingeholte Schadensgutachten.
Rz. 37
Die Beweiserleichterung nach § 287 ZPO erfährt indessen Einschränkungen, sofern am betroffenen Kraftfahrzeug Vorschäden ausgemacht werden können. Zwar kann der Geschädigte auch dann einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn sein Fahrzeug bereits vorgeschädigt ist. Allerdings ist vom Schädiger im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB nur derjenige (wirtschaftliche) Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Werden vom Haftpflichtversicherer einschlägige Vorschäden behauptet, hat sich der Geschädigte zur Schadenshöhe substantiiert zu erklären. Von ihm ist darzulegen und zu beweisen, dass die konkret ersetzt verlangten Schäden in ihrer Gesamtheit oder zumindest ein abgrenzbarer Teil hiervon mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei dem Unfall entstanden sind.
2. Fallgruppen
Rz. 38
Folgende Fallgruppen sind zu unterschieden:
a) Unreparierter angegebener Vorschaden
Rz. 39
Wird vom Geschädigten ein ganz oder teilweise unreparierter Vorschaden angegeben, welcher im erneut betroffenen Fahrzeugbereich liegt, stellt sich in der Praxis die Frage nach der Abgrenzbarkeit. Ist der Vorschaden hinreichend deutlich vom aktuellen Folgeschaden abgrenzbar, besteht ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten in Höhe des ausschließlich geltend gemachten Neuschadens. War durch das frühere Ereignis ein Fahrzeugteil bereits derart vorgeschädigt, dass es zur Schadensbeseitigung hätte ausgewechselt werden müssen, führt ...