I. Haftung für Verhandlungsgehilfen (§ 278 BGB)
Rz. 1
Diejenigen Personen, die gem. § 311 Abs. 2 BGB Vertragsverhandlungen aufnehmen, einen Vertrag anbahnen oder ähnliche geschäftliche Kontakte knüpfen, auch wenn diese nicht auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet sind, haben schuldhafte Pflichtverletzungen der von ihnen eingeschalteten Verhandlungsführer und -gehilfen in dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo – c.i.c.) gem. § 278 BGB wie eigenes Verschulden zu vertreten. Dies setzt voraus, dass aus der Sicht eines Außenstehenden das Verschulden des Verhandelnden ein Verhalten betrifft, das in einem unmittelbaren inneren Sachzusammenhang mit dem ihm zugewiesenen Aufgabenkreis steht.
Rz. 2
Grds. richten sich Pflichten und Sorgfaltsmaßstab eines solchen "Erfüllungsgehilfen" nach der Stellung des hinter ihm stehenden Geschäftsherrn; dessen Sorgfaltspflichten können jedoch nach dem Schutzzweck des § 278 BGB verstärkt werden durch einen Verhandlungsgehilfen, der mit besonderer Fachkunde, die der Geschäftsherr selbst nicht hat, um persönliches Vertrauen wirbt.
Rz. 3
Ob der Geschäftsherr für das Verhalten des Gehilfen einstehen muss, entscheidet letztlich eine wertende Beurteilung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall; dafür kommt es nicht darauf an, ob der Hilfsperson Vertretungsmacht eingeräumt wurde. Eigenmächtiges oder strafbares Handeln schließt eine Haftung des Geschäftsherrn grds. nicht aus.
II. Eigenhaftung der Verhandlungsgehilfen
Rz. 4
Die Verhandlungsgehilfen selbst haften i.d.R. nur dann, wenn ihre Pflichtverletzung den Tatbestand einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) erfüllt.
Die Unzulänglichkeiten des deliktischen Vermögensschutzes (vgl. § 8 Rdn 3, § 10 Rdn 3) will die Rechtsprechung auch dadurch mildern, dass Vertreter, Vermittler und sonstige Sachwalter, die an Vertragsverhandlungen anderer Personen beteiligt sind, unter bestimmten Voraussetzungen wegen Verletzung von Pflichten vor oder bei Vertragsschluss (§ 241 Abs. 2 BGB) selbst auf Schadensersatz haften. Im Kern handelt es sich um eine Haftung für enttäuschtes Vertrauen. Da sie Ausnahmecharakter hat, sind an die Prüfung, ob die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, strenge Anforderungen zu stellen.
Die eigene Haftung des Gehilfen wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser – über das gewöhnliche Auftreten eines Verhandlungs- oder Abschlussgehilfen hinaus – gleichsam in eigener Sache tätig geworden ist.
Eine Haftung des Verhandelnden aus Verschulden vor oder bei Vertragsschluss kann neben einer Vertragshaftung bestehen. Ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung kann auch dann bestehen, wenn die Haustürsituation nicht beim Vertragsschluss, sondern nur bei dessen Anbahnung vorgelegen hat.
Rz. 5
Die Vorschrift des § 311 Abs. 3 BGB betrifft die Eigenhaftung eines Verhandlungsgehilfen ggü. Dritten aus Verschulden bei Vertragsschluss. In der Gesetzesbegründung heißt es, damit werde eine solche Eigenhaftung eines Verhandlungsgehilfen in einer Weise angesprochen, die eine Weiterentwicklung dieses Rechtsinstituts durch Praxis und Wissenschaft erlaube. Mit Rücksicht darauf ist die Vorschrift noch kein Einstieg in eine gesetzliche Regelung der Dritthaftung auf vertraglicher und vorvertraglicher Grundlage zur Verbesserung des Vermögensschutzes. Vielmehr wird in dieser neuen Bestimmung nur anerkannt, dass – gemäß der überkommenen Rechtsprechung (vgl. Rdn 6 ff.) – Vertragsverhandlungen und ähnliche Kontakte ein Schuldverhältnis zwischen einem Verhandlungsgehilfen (= Dritter i.S.d. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB), der als Vertreter, Vermittler oder sonstiger Sachwalter einer Partei Verbindung mit einer anderen Person aufnimmt, und dieser begründen können.