Rz. 17
Eine Eigenhaftung aus Verschulden bei Vertragsschluss kann einen Rechtsanwalt treffen, wenn er in Ausübung amtlicher oder amtsähnlicher Tätigkeit Vertragsverhandlungen in Vertretung fremder Interessen führt.
Rz. 18
Ist ein Rechtsanwalt als – vorläufiger oder endgültiger – Insolvenzverwalter tätig, so haftet er i.d.R. "Beteiligten" aus gesetzlichem Schuldverhältnis (§ 21 Abs. 2 Nr. 1, §§ 60 bis 62 InsO), das eine "rechtsgeschäftsähnliche Beziehung" ist; ausnahmsweise kann ein Insolvenzverwalter aus einem Vertrag oder aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB) ersatzpflichtig sein. Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter schuldet den Beteiligten bei der gerichtlichen Durchsetzung von Rechten dieselbe Sorgfalt wie ein Rechtsanwalt seinem Mandanten.
Eine Eigenhaftung eines Insolvenzverwalters wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten kommt in Betracht, wenn er einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, an dem er sich festhalten lassen muss, oder wenn er ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse an dem angestrebten Geschäft hat. Diese Voraussetzungen sind aber noch nicht erfüllt, wenn der Insolvenzverwalter gegen Pflichten – etwa zur Aufklärung des Verhandlungsgegners – verstößt, die jedem Verhandlungspartner nach den allgemeinen Vorschriften obliegen; in diesem Falle haftet i.d.R. nur die Masse, nicht der Insolvenzverwalter als ihr Repräsentant. Dies gilt auch dann, wenn er mit Sicherungsnehmern Vereinbarungen über die Verwertung des Sicherungsgutes trifft und dabei einen Massekredit erhält. Es müssen also zusätzliche Umstände vorliegen, um ausnahmsweise eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten begründen zu können. Dafür reicht es nicht aus, dass ein Sicherungseigentümer in den Insolvenzverwalter – ohne dessen Zutun – ein besonderes Vertrauen setzt. Obwohl Pflichten, die einem Insolvenzverwalter als Verhandlungs- oder Vertragspartner eines Dritten obliegen, grds. nicht insolvenzspezifisch sind, können diese jedoch dann eine Haftung nach § 60 InsO auslösen, wenn ggü. dem Dritten andere, insolvenzspezifische Pflichten bestehen, deren Erfüllung durch Verletzung der erstgenannten Pflichten gefährdet wird.
Diese Grundsätze galten entsprechend für den Sequester (§ 106 Abs. 1 Satz 2 KO) und den Sachwalter i.S.d. – aufgehobenen – Vergleichsordnung (§§ 91, 92 VerglO).
Rz. 19
Ein Unternehmensberater, der ein Unternehmen sanieren soll, nimmt als Geschäftsführer eines sanierungsbedürftigen Unternehmens typischerweise persönliches Vertrauen in Anspruch; nimmt ein solcher Unternehmenssanierer bei Kreditverhandlungen in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch, indem er auf frühere Sanierungserfolge verweist, kann er aus Verschulden bei Vertragsschluss selbst haften, wenn er den Verhandlungspartner nicht auf Umstände hinweist, die seine Eignung für die Sanierungsaufgabe infrage stellen.
Rz. 20
Wird ein Rechtsanwalt als Betreuer tätig, so gelten die Voraussetzungen für eine Sachwalterhaftung wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluss (vgl. Rdn 6 ff.) uneingeschränkt; insoweit kommt weder der Funktion als Pfleger/Betreuer noch der beruflichen Stellung als Rechtsanwalt besondere Bedeutung zu.