Rz. 417
Beim Verkehrsunfall können sich typische Probleme der Rechtsschutzdeckung wegen der Voraussetzung des Versicherungsfalls ergeben. So bereitet der Versicherungsfall zwar bezogen auf den Schadensersatz-Rechtsschutz (Geltendmachung der Schadensersatzansprüche beim gegnerischen Haftpflichtversicherer) regelmäßig keine Probleme, da der Versicherungsfall unproblematisch dem Verkehrsunfalldatum entspricht und zudem für diese Leistungsart keine Wartezeit gilt (vgl. oben Rdn 406). Gleiches gilt für den Straf- und Ordnungswidrigkeiten-Rechtsschutz, falls gegen den Versicherungsnehmer als Beschuldigten/Betroffenen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Auch hier ist der Versicherungsfall unproblematisch am Unfalldatum eingetreten und es gilt keine Wartezeit (vgl. oben Rdn 406).
a) Zeugenanhörung des Mandanten
Rz. 418
Erste Schwierigkeiten können sich in diesem Bereich allerdings bereits ergeben, wenn der Versicherungsnehmer lediglich als Zeuge in einem Straf- oder Bußgeldverfahren angehört wird. In diesem Falle besteht für die Beratung des Mandanten dahingehend, wie er den Zeugenanhörungsbogen ausfüllen sollte bzw. ob er seinen Ehegatten als Fahrer angeben sollte, keine Rechtsschutzdeckung, weil eine Tätigkeit als Zeugenbeistand bzw. Verletztenvertreter nicht vom Deckungsschutz umfasst ist (vgl. oben Rdn 334).
b) Korrespondenz mit Unfallgegner
Rz. 419
Korrespondiert der Anwalt mit dem Unfallgegner persönlich wegen dessen Ansprüchen und teilt ihm z.B. die Versicherungsdaten seines Mandanten mit, besteht auch für diese Tätigkeit (gebührenrechtlich gesondertes Mandat betreffend die vermeintlichen gegnerischen Ansprüche) keine Rechtsschutzdeckung, da die Abwehr von gesetzlichen Schadensersatzansprüchen in der Rechtsschutzversicherung nicht versichert ist (originäre Aufgabe der Haftpflichtversicherung, vgl. oben Rdn 278, 329).
c) Korrespondenz mit eigenem KH-Versicherer des Mandanten
Rz. 420
Schaltet sich der Anwalt in die Schadenmeldung und -abwicklung mit dem eigenen KH-Versicherer des Mandanten ein, so besteht für diese Tätigkeit (die gebührenrechtlich eine gesonderte versicherungsrechtliche Angelegenheit darstellt) zunächst ebenfalls keine Rechtsschutzdeckung. Insoweit fehlt es an einem Versicherungsfall bezogen auf die eigene KH-Versicherung des Mandanten. Denn zunächst besteht mit dieser kein Streit, sodass es an einem (zumindest behaupteten) Rechtsverstoß mangelt (vgl. Rdn 400 ff.).
Rz. 421
Erst dann, wenn es zu Streitigkeiten im Innenverhältnis kommt – z.B. Vorwurf von Obliegenheitsverletzungen, Versagung des Versicherungsschutzes in der KH-Versicherung, Geltendmachung von Regressansprüchen –, liegt ein Versicherungsfall und damit ein Deckungsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer vor.
Rz. 422
Auch ein Streit bezogen auf den Verlust des Schadenfreiheitsrabattes wegen einer Überschreitung des Regulierungsermessens durch den eigenen KH-Versicherer wegen unvertretbarer Regulierung kann einen Versicherungsfall begründen. Da jedoch die Anforderungen sehr hoch sind (vgl. oben Rdn 278 ff.), bleiben die Erfolgsaussichten fraglich.
d) Kaskoabwicklung
Rz. 423
Im Bereich der Kaskoversicherung besteht auch zunächst kein Deckungsschutz für die Abwicklung der Regulierung durch den Anwalt. Auch hier fehlt es (zunächst) an einem Streit (behaupteter Rechtsverstoß) mit dem Kaskoversicherer. Sobald sich allerdings die Regulierung verzögert (Untätigkeit genügt), unberechtigt Unterlagen (z.B. Reparaturrechnung o.Ä.) gefordert werden, ist ein Versicherungsfall gegeben, und ein Deckungsanspruch besteht.
Rz. 424
Hinweis
Hier besteht die Möglichkeit, dem rechtsschutzversicherten Mandanten zu empfehlen, die Vollkaskoschadenmeldung und -regulierung zunächst selbst vorzunehmen. Sobald es mit der Abwicklung "hakt" (sei es auch nur aufgrund einer Verzögerung bzw. Untätigkeit des Vollkaskoversicherers), kann sodann unter Darlegung des Versicherungsfalls bezogen auf die Ansprüche aus der Vollkaskoversicherung eine Deckungszusage für die anwaltliche Tätigkeit eingeholt werden.
e) Streit mit dem Rechtsschutzversicherer
Rz. 425
Für einen Streit mit dem Rechtsschutzversicherer selbst über dessen Deckungspflicht besteht gem. § 3 Abs. 2 h ARB in keinem Fall ein Rechtsschutzanspruch.
Hinweis
Der rechtsschutzversicherte Mandant ist umfassend über die Voraussetzungen der Rechtsschutzdeckung aufzuklären. Anderenfalls besteht bei Erteilung von Mandaten, für die keine Deckung erteilt wird, ein erhebliches Regressrisiko des Anwalts, weil der Mandant grundsätzlich nicht damit rechnen muss, persönlich Kosten tragen zu müssen, insbesondere wenn er – wie es üblich ist – die Rechtsschutzabwicklung dem Anwalt überlassen hat (vgl. z.B. OLG Düsseldorf VersR 1976, 892; OLG Nürnberg NJW-RR 1989, 1370; OLG Celle v. 19.3.2008 – 3 U 242/07 – juris; Harms, VersR 1990, 818).