Rz. 368
In der Praxis erhebliche Probleme bereitet immer wieder die Leistungseinschränkung gem. § 5 Abs. 3 b ARB im Falle einer einvernehmlichen Regelung.
aa) Anwendbarkeit der Klausel
Rz. 369
Die Klausel ist vor allem anwendbar beim Abschluss gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleiche (BGH VersR 2006, 404; VersR 2011, 1005). Streitig ist allerdings, ob die Klausel darüber hinaus auch beim lediglich einseitigen Nachgeben bzw. Sich-zufrieden-geben des Versicherungsnehmers bzw. des Gegners anzuwenden ist (für die Anwendbarkeit auch in diesen Fällen Böhme, § 2 (3) a Rn 37; LG Kempten zfs 1997, 390; AG Köln zfs 1990, 90).
Rz. 370
Beispiel
Der Gegner hat den wesentlichen Teil der Forderungen reguliert und der Versicherungsnehmer nimmt von einer Weiterverfolgung Abstand, ohne dass es zu einem Vergleichsschluss kommt. Bei dieser Sachlage wird argumentiert, wegen des faktisch (nahezu) vollständigen Obsiegens des Versicherungsnehmers gem. § 5 Abs. 3 b ARB habe der Rechtsschutzversicherer keine Kosten zu tragen und der Versicherungsnehmer eventuelle Vorschüsse zurückzuzahlen.
Rz. 371
Bei der Frage der Anwendbarkeit auf einen solchen Fall ist jedoch das einhellige Ziel der Vorschrift zu berücksichtigen, "unnötige" Kostenzugeständnisse des Versicherungsnehmers zulasten der Versichertengemeinschaft zu vermeiden. Daraus ergibt sich, dass die Klausel über den Hauptanwendungsfall des Vergleichs hinaus nur dann eingreifen kann, wenn eine – ausdrückliche oder konkludente (vgl. BGH VersR 2006, 405, 406 zur konkludenten Kostenaufhebung entsprechend § 98 ZPO aufgrund Fehlens einer Kostenregelung im außergerichtlichen Vergleich) – Regelung über die Kosten erfolgt ("Zugeständnis"; Harbauer-Schneider, § 5 ARB 2010, Rn 198). Dies ist inzwischen vom BGH bestätigt worden (BGH VersR 2011, 1005). Zudem hat der BGH klargestellt, dass ein Kostenzugeständnis und damit eine Anwendbarkeit der Klausel dann ausscheiden, wenn bei einem außergerichtlichen Vergleich mit (analog § 98 ZPO konkludenter) Kostenaufhebung ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nicht bestand (BGH VersR 2013, 232 = zfs 2013, 159).
Rz. 372
Falls hingegen die Frage (eventueller) Kostenerstattungsansprüche vollständig offen bleibt, ist die Klausel nicht anzuwenden, sodass der Rechtsschutzversicherer zur uneingeschränkten Leistung verpflichtet bleibt.
Rz. 373
Sodann kann der Versicherer entscheiden, inwieweit eventuelle Kostenerstattungsansprüche aus übergegangenem Recht weiterhin geltend gemacht werden sollen. Der Versicherungsnehmer hat ihn gem. § 17 Abs. 8 S. 2 ARB bei der Durchsetzung zu unterstützen. Allein diese Auslegung wird dem Ziel der Rechtsschutzversicherung gerecht, grundsätzlich dem Versicherungsnehmer auch das Risiko der Realisierbarkeit von Kostenerstattungsansprüchen abzunehmen (LG München I r+s 2008, 512; LG München I VersR 2009, 254, jeweils unter Hinweis auf Schneider, Der Begriff der "gütlichen Erledigung" in der Rechtsschutzversicherung, VersR 2004, 301 ff.; im Ergebnis ebenso Döring, VersR 2007, 770 ff.).
Rz. 374
Hinweis
Als nicht gegen die Klausel verstoßend wird der Fall angesehen, dass der Versicherungsnehmer einen gerichtlichen Vergleich unter ausdrücklichem Offenlassen der Kostenregelung schließt und anschließend aufgrund des Vergleichs den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, sodass das Gericht gem. § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden hat (OLG Hamm VersR 2005, 1142; LG Moosburg VersR 1983, 681; OLG Karlsruhe VersR 1984, 839 = zfs 1984, 335).
Rz. 375
Neuerdings wird in Frage gestellt, ob die Klausel dem Transparenzgebot standhält. So hat das LG Hagen (r+s 2008, 190 m. zust. Anm. van Bühren) § 5 Abs. 3 b ARB wegen Intransparenz insgesamt für unwirksam erklärt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BGH die Klausel bisher stets angewendet hat (z.B. BGH VersR 2011, 1005).
bb) Bestimmung der "richtigen" Kostenquote
Rz. 376
Die von der vorgenannten Klausel verlangte "richtige" Kostenquote entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen birgt erhebliches Konfliktpotenzial. Maßgeblich ist das Verhältnis des angestrebten zum erzielten Ergebnis, wobei das rechnerische Verhältnis entscheidend ist, während Aspekte wie die Erfolgsaussichten bzw. das Prozessrisiko irrelevant sind (BGH VersR 1982, 391). Es ist vielmehr das "wirtschaftliche Endergebnis" gegenüber dem Ursprungsbegehren zu betrachten (BGH a.a.O.).
Rz. 377
Was der BGH unter dem "wirtschaftlichen Endergebnis" versteht, soll an folgendem Fall verdeutlicht werden:
Beispiel
Der Käufer eines Pkw begehrt aufgrund von Fahrzeugmängeln die Rückabwicklung des Kaufvertrages (Rückzahlung des Kaufpreises von 20.000 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw). Die Parteien schließen sodann einen Vergleich, wonach der Käufer vom Verkäufer 2.000 EUR als Minderungsbetrag erhält.
Rz. 378
Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, von einem angestrebten Ergebnis entsprechend dem Streitwert der Klage von 20.000 EUR (Rückzahlung Kaufpreis) sowie einem erzielten Ergebnis von 2.000 EUR (Minderungsbetrag) auszugehen. Dann ergäbe sich ein Obsiegen zu l...