aa) Voraussetzungen des Versicherungsfalls
Rz. 232
Ein Zusammenstoß mit Haarwild i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz liegt auch beim Überfahren eines bereits durch einen vorangegangenen Unfall getöteten Haarwilds vor (OLG Nürnberg NJW-RR 1994, 537). Jedoch muss stets ein unmittelbarer adäquater Kausalzusammenhang des Schadens mit dem Zusammenstoß vorliegen, woran es bei einer Überreaktion des Fahrers fehlt (BGH VersR 1992, 349). Hierfür trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast.
bb) Rettungskostenersatz gem. §§ 82, 83 VVG
Rz. 233
Dem Versicherungsnehmer kann ein Schaden entstehen, wenn dieser zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit Haarwild ausweicht und es dadurch zu einem Unfall kommt. Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch ist gem. § 83 Abs. 1 VVG, dass die Rettungshandlung objektiv zur Abwendung oder Minderung des versicherten Schadens geeignet ist. Nach der durch die VVG-Reform 2008 in § 90 VVG aufgenommenen sog. Vorerstreckungstheorie des BGH (VersR 1991, 459) sind auch Aufwendungen zu ersetzen, die gerade zur Abwendung des noch nicht eingetretenen, sondern unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls getätigt werden. Der Versicherungsnehmer erhält die Aufwendungen gem. § 83 Abs. 1 S. 1 VVG auch im Falle ihrer Erfolglosigkeit erstattet, soweit er bzw. der mitversicherte Fahrer die Aufwendungen den Umständen nach für geboten halten durfte. Ein Irrtum über die Tauglichkeit der Rettungsmittel schadet grundsätzlich nicht, es sei denn, es liegt grobe Fahrlässigkeit vor.
Rz. 234
Insoweit geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei kleinerem Wild kein ernsthafter Unfall ausgelöst werden kann, sondern allenfalls eine leichte Beschädigung der Vorderfront des Fahrzeugs. Da Aufwand und Gefährdung in angemessenem Verhältnis stehen müssen (sonst nicht geboten), nimmt die Rechtsprechung zwar grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich nicht bei einem Ausweichen vor einem Reh an, jedoch bei einem Ausweichen vor kleinerem Wild, wie z.B. Hase oder Fuchs (BGH VersR 2003, 1250 – Fuchs; BGH VersR 1997, 351 – Hase). Den Beweis für die notwendige und verhältnismäßige Rettungshandlung hat der Versicherungsnehmer i.S.d. § 286 ZPO voll zu erbringen, für ihn gelten keine Beweiserleichterungen. Rechtsfolge der grob fahrlässigen Vornahme einer objektiv nicht gebotenen Rettungshandlung (i.d.R. Überreaktion) ist seit der VVG-Reform 2008 gem. § 83 Abs. 2 VVG ein Leistungskürzungsrecht des Versicherers entsprechend der Schwere des Verschuldens. Dazu kann auf die Ausführungen oben (siehe Rdn 140 ff.) verwiesen werden.