1. Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und Anwalt
Rz. 292
Rz. 293
Die Rechtsbeziehungen bei der Rechtsschutzversicherung sind durch ein klassisches Dreiecksverhältnis gekennzeichnet. Wie aus dem Bereicherungsrecht im Dreiecksverhältnis bekannt, gibt es ein Valutaverhältnis (zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsanwalt) einerseits sowie ein Deckungsverhältnis (zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer) andererseits.
2. Folgen des Dreiecksverhältnisses
a) Rechtswirkungen der Deckungszusage
Rz. 294
Soweit der Rechtsanwalt beim Rechtsschutzversicherer eine Deckungszusage einholt, tut er dies rechtlich lediglich im Deckungsverhältnis im Namen seines Mandanten als Versicherungsnehmer. Dementsprechend wird auch die Deckungszusage rechtlich lediglich gegenüber dem Versicherungsnehmer erteilt, welche der Rechtsanwalt (Wissenserklärungsvertreter) im Namen des Versicherungsnehmers entgegennimmt. Daraus folgt bereits, dass der Rechtsanwalt selbst aus der Deckungszusage keinerlei Rechte herleiten kann. Durch diese wird lediglich gegenüber dem Versicherungsnehmer bestätigt, Deckungsschutz zu gewähren und ihn von entsprechenden versicherten Kosten freizustellen.
b) Rechtswirkungen der Zahlung des Rechtsschutzversicherers an den Anwalt
Rz. 295
Rechnet der Rechtsanwalt seine Kosten unmittelbar gegenüber dem Rechtsschutzversicherer ab, so geschieht rechtlich zweierlei:
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Der Rechtsanwalt macht im Valutaverhältnis seinen Honoraranspruch gegenüber dem Mandanten geltend. |
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Der Versicherungsnehmer macht im Deckungsverhältnis – vertreten durch den Rechtsanwalt – seinen Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten geltend. |
Rz. 296
Gleicht sodann der Rechtsschutzversicherer die Kostennote aus, so handelt es sich rechtlich um eine Leistung über das Dreieck, was für eine eventuell erforderliche Rückabwicklung wichtig ist:
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Der Rechtsschutzversicherer erfüllt seine Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag (Deckungsverhältnis), den Versicherungsnehmer von den Rechtsanwaltskosten freizustellen – Leistung des Versicherers an den Versicherungsnehmer. |
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Der Rechtsschutzversicherer erfüllt bezogen auf das Valutaverhältnis für den Mandanten die Honorarforderung des Rechtsanwalts – Leistung des Versicherungsnehmers an den Rechtsanwalt. |
Rz. 297
Für die Rückabwicklung bedeutet dieses doppelte Leistungsverhältnis über den Versicherungsnehmer, dass rechtlich keine Leistung des Rechtsschutzversicherers an den Rechtsanwalt erbracht wird, sondern des Versicherers an den Versicherungsnehmer und zugleich des Versicherungsnehmers an den Anwalt.
c) Folgen im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers
Rz. 298
Vorsicht
Aufgrund dieses doppelten Leistungsverhältnisses besteht auch im Falle der Insolvenz lediglich ein Anspruch des Anwalts aus der Insolvenzmasse, während der Versicherungsanspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung in die Masse fällt und der Befriedigung aller Gläubiger dient. Ein § 110 VVG in der Haftpflichtversicherung vergleichbares Privileg des Anwalts (Recht auf abgesonderte Befriedigung) besteht im Bereich der Rechtsschutzversicherung nicht.
Daher ist auch erhebliche Vorsicht geboten, wenn trotz Insolvenz des Versicherungsnehmers unmittelbare Kostenabwicklungen mit dem Rechtsschutzversicherer erfolgen. Abgesehen von entsprechenden Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters sind vor allem die strafrechtlichen Vorschriften in der Insolvenz (Gläubigerbenachteiligung etc.) zu beachten.
d) Rechnungsstellung beim rechtsschutzversicherten Mandanten
Rz. 299
Aus dem Dreiecksverhältnis folgt ferner, dass der Anwalt lediglich für seinen Mandanten tätig wird und sich dementsprechend auch die Honorarforderungen ausschließlich gegen den Versicherungsnehmer als Mandanten richten.
Merke
Auch die Kostenrechnung ist daher ausschließlich an den Mandanten (als Rechnungsempfänger) zu stellen und lediglich dem Rechtsschutzversicherer zur Freistellung zu übersenden. § 14 UStG verlangt ohnehin die Angabe des Leistungsempfängers in der Rechnung. Dies ist ausschließlich der Mandant.
Rz. 300
Dieses Vorgehen ermöglicht auch den im Hinblick auf die Buchführung einzig akzeptablen Umgang mit dem Fall, dass der Versicherungsnehmer persönlich einen Teil der Kosten zu tragen hat (z.B. Selbstbeteiligung oder Vorsteuerabzugsberechtigung):
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Wenn die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer per Fax geführt wird (was ohnehin zu empfehlen ist), kann die Kostenrechnung problemlos dem Mandanten im Original überlassen werden, der das Original ohnehin im Falle der Vorsteuerabzugsberechtigung (auf ihn ausgestellt!) benötigt. |
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Sodann können Versicherer und Mandant ihren jeweiligen Anteil auf die gebührenrechtlich entstandenen Kosten zahlen, ohne dass verschiedene Rechnungen z.B. über die Selbstbeteiligung erstellt werden (umsatzsteuerrechtlich ohnehin sehr bedenklich wegen unterschiedlicher Rechnungsnummern und erneuten Mehrwertsteuerausweises trotz rechtlich ein und derselben Kostenforderung), um dann jeweils wieder umständlich bei mehreren Rechnungen die jeweils nicht gezahlten Anteile mit Gutschrift etc. ausbuchen zu müssen. |
Rz. 301
Merke
Es wird gebührenrechtlich und steuerrechtlich sauber lediglich eine Rechnung über die gebührenrechtlich entstandenen Kosten erstellt. Diese wird dem Rechtsschutzversicherer per Fax übermittelt...