Rz. 18
Die bisher im Kfz-Bereich schon lange übliche vorläufige Deckung ist erstmals in den §§ 49–52 des VVG 2008 gesetzlich geregelt worden.
1. Eigenständiger Versicherungsvertrag
Rz. 19
Es handelt sich – wie nach bisherigem Recht – bei der vorläufigen Deckung um einen eigenständigen Versicherungsvertrag.
Hinweis
Beim Eintritt eines Versicherungsfalls im Zusammenhang mit gescheiterten oder hinsichtlich des Zustandekommens jedenfalls unklaren Versicherungsverhältnissen ist stets gesondert zu prüfen, ob sich ein Leistungsanspruch aus dem (rechtlich selbstständigen) vorläufigen Deckungsvertrag ergibt. Dies wird in der Praxis häufig übersehen. Nicht selten lässt sich bei genauerer Prüfung kein wirksamer Beendigungstatbestand feststellen.
2. Vertragsinhalt bei Verzicht auf Informationserteilung vor Vertragsschluss
Rz. 20
Bei der vorläufigen Deckung kann der Versicherungsnehmer gem. § 49 Abs. 1 VVG auf die gem. § 7 VVG an sich vor Vertragsschluss erforderliche Informationserteilung (insbesondere Inhalt der Police und Versicherungsbedingungen) verzichten, was in der Praxis wohl den Regelfall darstellen wird. Hinsichtlich des Vertragsinhalts gilt sodann gem. § 49 Abs. 2 VVG eine Besonderheit: Es werden die vom Versicherer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den vorläufigen Versicherungsschutz "üblicherweise" verwendeten AVB auch ohne ausdrücklichen Hinweis hierauf Vertragsbestandteil. Bestehen Zweifel, welche Bedingungen dies sind – also insbesondere, wenn der Versicherer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschiedliche Bedingungen verwendet –, werden gem. § 49 Abs. 2 S. 2 VVG die für den Versicherungsnehmer günstigsten Bedingungen Vertragsbestandteil.
Rz. 21
Tipp
Regelmäßig bieten die Versicherer im Bereich der Kaskoversicherung unterschiedlich hohe Selbstbeteiligungen an. Sollte es also im Zeitraum der vorläufigen Deckung zu einem Versicherungsfall kommen, ist gem. § 49 Abs. 2 S. 2 VVG von der niedrigsten vom Versicherer angebotenen Selbstbeteiligung auszugehen, wenn insoweit keine eindeutige Regelung bezogen auf den vorläufigen Versicherungsvertrag getroffen wurde.
Auch im Bereich der unterschiedlichen angebotenen Tarife bezogen auf die sog. weichen Tarifmerkmale (Garagenfahrzeug, Zahl und Alter der Fahrer, jährliche Kilometerleistung etc.) handelt es sich um unterschiedliche Bedingungen i.S.d. § 49 Abs. 2 VVG, da die Tarifbestimmungen zu den AVB zählen. Auch diesbezüglich lässt sich daher im Zweifel mit den für den Versicherungsnehmer günstigsten Regelungen argumentieren.
3. Ende der vorläufigen Deckung
Rz. 22
Die vorläufige Deckung endet gem. § 52 VVG bei
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Beginn eines gleichartigen Versicherungsschutzes aufgrund des Hauptvertrages oder eines anderweitigen vorläufigen Deckungsvertrages bei demselben oder bei einem anderen Versicherer, § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VVG |
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Zahlungsverzug hinsichtlich der Prämie, § 52 Abs. 1 S. 2 VVG |
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Zugang eines Widerrufs gem. § 8 VVG oder Widerspruchs gem. § 5 Abs. 1, 2 VVG (bei Abweichungen zwischen Versicherungsantrag und Versicherungsschein), § 52 Abs. 3 VVG |
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Kündigung durch eine Vertragspartei (für den Versicherer jedoch nur mit einer Frist von zwei Wochen möglich), § 52 Abs. 4 VVG. |
Rz. 23
Durchaus bemerkenswert erscheint, dass die vorläufige Deckung im Falle eines Vertrages mit einem anderen Versicherer endet, obwohl der Versicherer dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß. Dementsprechend besteht eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers gem. § 52 Abs. 2 S. 2 VVG.
Rz. 24
Auch hier stellt sich wiederum die Frage, was unter "gleichartigem" Versicherungsschutz zu verstehen ist. So ist ein Hauptvertrag ohne Kaskoversicherung zweifellos nicht "gleichartig" zu einer vorläufigen Deckung mit Kaskoversicherungsschutz, sodass die vorläufige Deckung bezogen auf die Kaskoversicherung ohne Vorliegen eines entsprechenden Beendigungstatbestandes (in der Regel Kündigung) im Zweifel nicht enden wird. Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Kfz-Haftpflicht- und der Kfz-Kaskoversicherung rechtlich um selbstständige Verträge handelt, selbst wenn sie üblicherweise in einem Versicherungsschein policiert werden.
Rz. 25
Jedoch bleibt auch innerhalb des Bereichs der Kaskoversicherung wiederum die Frage der Gleichartigkeit im Hinblick auf die unterschiedlichen Selbstbeteiligungen. Im Zweifel kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Hauptvertrag mit einer höheren Selbstbeteiligung zu einer vorläufigen Deckung mit niedrigerer Selbstbeteiligung gleichartig ist.
Hinweis
Es bleibt daher bei nicht umfassenden Vereinbarungen zum Zeitpunkt der vorläufigen Deckungserteilung stets kritisch zu prüfen, ob sich bei einem späteren Versicherungsfall darauf berufen werden kann, der vorläufige Deckungsvertrag bestehe mangels "gleichartigen" Versicherungsschutzes sowie mangels einer entsprechenden Kündigung weiter, und zwar gem. § 49 Abs. 2 VVG zu den dem Versicherungsnehmer günstigsten Bedingungen.
Dieses Problem muss von der Praxis noch gelöst werden.
Rz. 26
Bei einem Widerruf gem. § 8 VVG oder einem Widerspruch gem. § 5 Abs. 1, 2 VVG sollte sich der Versicherungsnehmer stets bewusst sein, dass dadurch der Versicherungsschutz in der vorläufigen Deckun...