Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 25
Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger nach § 887 Abs. 1 ZPO von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Neben der – selbstverständlichen – Behauptung, dass der Schuldner die geschuldete Handlung noch nicht vorgenommen hat, muss der Gläubiger in dem Antrag die Maßnahme, zu deren Durchführung er ermächtigt werden soll, genau bezeichnen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in dem zugrunde liegenden Vollstreckungstitel nur der Handlungserfolg bezeichnet worden ist, nicht aber der mit der Ersatzvornahme jetzt gewählte Weg zum Handlungserfolg. Der Schuldner soll damit Gelegenheit erhalten, die vertretbare Handlung "auf seinem Weg" vorzunehmen, bevor die Wahl zwischen mehreren möglichen Wegen durch die Ersatzvornahme dem Gläubiger zufällt.
Rz. 26
Hinweis
Der Gläubiger muss sich in jedem Falle zuerst zur Vornahme der geschuldeten vertretbaren Handlung ermächtigen lassen, bevor er diese selbst durchführt. Der Gläubiger, der die dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung selbst vorgenommen hat, kann die ihm dadurch entstandenen Kosten nicht noch nachträglich im Vollstreckungsverfahren erstattet verlangen.
Rz. 27
Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger im Einzelnen bezeichnet, in welchen Arbeitsschritten der Erfolg herbeigeführt wird und welcher Dritte bzw. Unternehmer beauftragt werden soll.
Rz. 28
Hinweis
Zu beachten ist allerdings, dass der Schuldner nur die notwendigen Kosten der Ersatzvornahme zu tragen hat, sodass es sich empfehlen kann, diese frühzeitig darzustellen, um späteren Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen. Da der Gläubiger zur Erlangung eines Kostenvorschusses für die Ersatzvornahme ohnehin der Vorlage eines Kostenvoranschlages bzw. eines Sachverständigengutachtens bedarf, sollte ein solcher dezidierter Vortrag und Antrag keine größeren Schwierigkeiten bereiten.
Rz. 29
Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen der Leistungserfolg schon im Vollstreckungstitel nicht hinreichend bestimmt ist. Die Vollstreckungsentscheidung und als deren Grundlage der Vollstreckungsantrag können nämlich immer nur die tatsächliche Vornahme der Handlung im Wege der Ersatzvornahme bei mehreren Wegen zu einem eindeutig bestimmten Leistungserfolg endgültig konkretisieren, nicht aber zugleich auch noch den Leistungserfolg selbst näher bestimmen. Hier ist also nach allgemeinen Regelungen nur eine Auslegung möglich, aber auch erforderlich.
Rz. 30
Hinweis
Hier zeigt sich mehr als deutlich, dass die Zwangsvollstreckung bereits im Erkenntnisverfahren beginnt. Gerade bei Titeln auf Vornahme einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung ist darauf zu achten, dass der Titel auch tatsächlich vollstreckungsfähig ist. Die Auseinandersetzung um die Handlungspflicht darf nicht vollständig ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden.
Rz. 31
Tipp
Fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit des Titels, bleibt dem Gläubiger nur die erneute Klage auf Vornahme der vertretbaren Handlung. Dieser steht mangels Bestimmtheit der Einwand der Rechtskraft nicht entgegen.
Rz. 32
Sind neben der Ermächtigung zur Ersatzvornahme weitere Anordnungen gegenüber dem Schuldner erforderlich, damit deren praktische Durchführung auch wirklich möglich ist, so kann das Verlangen nach diesen Anordnungen mit dem Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme verbunden werden. Hier kommt insbesondere die Verpflichtung in Betracht, dass der Schuldner das Betreten seines Grundstückes duldet. Der Gläubiger sollte deshalb schon vor der Antragstellung festlegen, wie er vorgehen will, welche Maßnahmen dafür erforderlich sind und inwieweit er dazu in Rechtskreise des Schuldners eingreift.
Rz. 33
Hinweis
Verweigert der Schuldner entgegen der Anordnung, dass er das Betreten seines Grundstückes durch den Gläubiger oder einen von ihm zu beauftragenden Dritten zu dulden hat, gleichwohl den Zugang, so kann der Gerichtsvollzieher diesen Widerstand nach § 892 ZPO brechen, ohne dass es eines weiteren Beschlusses nach § 758a ZPO bedarf.
Rz. 34
Ist das Gericht der Auffassung, dass keine vertretbare Handlung vorliegt, sondern vielmehr eine unvertretbare Handlung, und hält es deshalb die Ermächtigung zur Ersatzvornahme für unzulässig, so muss es den Gläubiger hierauf nach § 139 ZPO hinweisen. Um die Beachtung der Hinweispflicht sicherzustellen, sollte die Bitte um einen entsprechenden Hinweis im Vollstreckungsantrag des Gläubigers zum Ausdruck gebracht werden. Erteilt das Gericht einen entsprechenden Hinweis, kann der Antrag nach § 887 in einem Antrag nach § 888 ZPO umgestellt werden. Dies ist auch noch im Beschwerdeverfahren möglich.
Rz. 35
Tipp
Teilt der Gläubiger die Auffassung des Prozessgerichtes über die Einstufung der vollstreckbaren Verpflichtung als unvertretbare Handlung nicht, so kann er den Hauptantrag beibehalten und hilfsweise einen An...