Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 89
Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels setzt voraus, dass die Vornahme der unvertretbaren Handlung noch möglich ist. Ist diese objektiv oder subjektiv dauerhaft unmöglich, scheidet die Festsetzung von Zwangsmitteln aus. In diesem Fall ist der Gläubiger auf den Schadensersatzanspruch nach § 893 ZPO beschränkt (vgl. Rdn 162). Alle Umstände, die schon vor Urteilserlass eingetreten, im Erkenntnisverfahren vorgetragen und vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch gewürdigt worden sind bzw. von der Schuldnerin hätten vorgebracht werden können, sind allerdings im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens unbeachtlich. Maßgeblich sind also nur nachträgliche Umstände.
Rz. 90
Hinweis
Im Falle eines Titels auf Weiterbeschäftigung kann Unmöglichkeit dann eintreten, wenn der Arbeitsplatz, auf dem die Beschäftigung geschuldet ist, nach Urteilserlass weggefallen ist oder objektive Umstände in der Person des Gläubigers einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Das Gleiche gilt, wenn der endgültige Wegfall der tenorierten Beschäftigung unstreitig oder offenkundig ist. Dass ein Arbeitgeber aufgrund von Kurzarbeit statt des weiter zu beschäftigenden Arbeitnehmers möglicherweise dessen Kollegen an einer anderen Maschine einsetzen muss, begründet keine Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung i.S.d. § 888 ZPO. Auch muss eine Missbrauchsgrenze beachtet werden, wenn die Unmöglichkeit bewusst herbeigeführt wird
Rz. 91
Auch soweit und solange nur eine vorübergehende Unmöglichkeit der Vornahme der Handlung vorliegt, etwa wegen einer Erkrankung des Schuldners, ist eine Festsetzung von Zwangsmitteln unstatthaft. Ein entsprechender Antrag wäre daher als "zurzeit unzulässig" zurückzuweisen.
Rz. 92
Hinweis
Der Vermieter eines Ladenlokals ist mit Rücksicht auf § 893 ZPO nicht gehindert, einen Titel über seinen vertraglich vereinbarten Anspruch auf Erfüllung der Betriebspflicht zu erstreiten, auch wenn aufgrund der aktuellen finanziellen Leistungsunfähigkeit des Mieters die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO voraussichtlich ins Leere laufen wird.
Rz. 93
Unerheblich ist, ob die dauernde oder vorübergehende Unmöglichkeit auf einem Verschulden des Schuldners beruht.
Rz. 94
Der Schuldner ist grundsätzlich verpflichtet, die von ihm behauptete Unmöglichkeit substantiiert und nachvollziehbar darzulegen und die vorgetragenen Tatsachen – nicht also die eigentliche Unmöglichkeit – zu beweisen. Der Gläubiger ist für die von ihm erhobenen Einwendungen gegen die Darstellung des Schuldners darlegungs- und beweispflichtig. Bleiben danach Zweifel, ob der Schuldner seiner Verpflichtung zur Vornahme der unvertretbaren Handlung noch nachkommen kann, gehen diese zu Lasten des Gläubigers, den also im Ergebnis die – durch die substantiierte Darlegung der Unmöglichkeit durch den Schuldner jedoch erst aktivierte – Beweislast für die Möglichkeit der Vornahme der Handlung trifft.
Rz. 95
Hinweis
Ist danach von der Unmöglichkeit der Erfüllung durch den Schuldner auszugehen, kann der Gläubiger über § 893 ZPO nur noch sein Interesse geltend machen, d.h. regelmäßig Schadensersatz fordern (vgl. Rdn 162).
Rz. 96
Hat der Schuldner die unvertretbare Handlung deshalb nicht vorgenommen, weil er hierfür der Mitwirkung eines Dritten bedarf und dieser seiner Mitwirkung verweigert, ist zu unterscheiden:
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Die unvertretbare Handlung wird dann unmöglich, wenn der Schuldner alles ihm Zumutbare getan hat, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen. Dabei kann auch die gerichtliche Inanspruchnahme des Dritten auf Mitwirkung erforderlich sein. Hat der Schuldner erfolglos alles ihm Zumutbare getan, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen, ist der Gläubiger auch hier auf den Schadensersatzanspruch nach § 893 ZPO beschränkt. |
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Hat der Schuldner dagegen nicht alles ihm Zumutbare getan, um den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen, und ist dessen Mitwirkung auch nicht offensichtlich ausgeschlossen, so bleibt die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO möglich. |
Rz. 97
Genügt eine Verurteilung des Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung nicht dem Bestimmtheitserfordernis, kann dieser Mangel nicht nachträglich im Verfahren nach § 888 ZPO geheilt werden. Der abweichenden Meinung hat der BGH damit die Grundlage entzogen. Wie bei anderen Vollstreckungsarten gilt auch hier, dass die tenorierte Verpflichtung hinreichend bestimmt umschrieben sein muss. Gerade bei unvertretbaren Handlungen sind die Anforderungen an die Tätigkeit des Rechtsdienstleisters im Erkenntnisverfahren besonders hoch.
Hinweis
Zeigen sich hier Mängel, muss die Verpflichtung neu tituliert werden oder es muss Klage auf Feststellung des tatsächlichen Inhaltes der Verpflichtung erhoben werden. Dem steht mangels hinreichender Bestimmtheit der Einwand der Rechtskraft der ersten Entscheidung nicht entgegen.