Rz. 22
Die Zuschlagserteilung zu einem Gebot unter 50 % des Verkehrswerts unter Hinzurechnung des Ausfalls des Meistbietenden, § 85a Abs. 3 ZVG, kann nur i.V.m. der Befriedigungswirkung nach § 114a ZVG gesehen werden. Meistbietender muss somit ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter sein. Dies sind in erster Linie die Grundpfandrechtsgläubiger, aber auch jeder Berechtigte eines Anspruchs nach § 10 ZVG.
Rz. 23
Umstritten ist, welcher ausfallende Betrag des Meistbietenden zu berücksichtigen ist. Hierbei ist festzuhalten, dass sämtliche geltend gemachten Zinsen neben dem Kapitalbetrag zu berücksichtigen sind, unabhängig davon, ob diese in die Rangklasse 4 zu dem Recht oder ältere Zinsen in Rang 5 oder sogar 6 – möglicherweise sogar 9 – fallen.
Rz. 24
Das LG Verden will nur die laufenden und max. bis zu zwei Jahre rückständigen Zinsen in der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG bei der Berechnung des Ausfallbetrags berücksichtigen. Ausdrücklich ausgenommen werden z.B. die noch älteren Zinsen in der Rangklasse 8 des § 10 Abs. 1 ZVG. Diese Auffassung ist abzulehnen. Hinzuzurechnen ist der Betrag, mit dem der Berechtigte bei der Erlösverteilung ausfallen würde. Dieser Betrag setzt sich aus dem Hauptanspruch, sämtlichen angemeldeten Zinsen und den Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung zusammen; hierbei ist die Rangklasse, in der diese Beträge in der Zwangsversteigerung Berücksichtigung finden, völlig unmaßgeblich.
Rz. 25
Bei der Berechnung der 7/10-Grenze ist von dem festgesetzten Grundstückswert nach § 74a Abs. 1 ZVG auszugehen. Der Wert des mit zu versteigernden Zubehörs ist ebenfalls in die Berechnung der 7/10-Grenze einzubeziehen.
Rz. 26
Die Befriedigungswirkung tritt kraft Gesetzes ein. Der Zeitpunkt ist nicht die Zuschlagserteilung, sondern der Verteilungstermin.
Rz. 27
Ziel der Fiktion des § 114a ZVG ist es, zu verhindern, dass ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter, der nur an die untere Grenze seines weit höheren dinglichen Rechts bietet, wegen dieses Rechts nicht überboten wird und bei der Erlösverteilung ausfällt, er seine persönliche Forderung dennoch behält, obwohl ihm das Grundstück jetzt weit unter Wert zugeschlagen wurde. Aus diesem Grunde ist – im Gegensatz zu § 85a Abs. 3 ZVG – bei der Befriedigungswirkung auf die persönliche Forderung und nicht auf das dingliche Recht abzustellen.
Rz. 28
Eine Mindermeinung stellt hingegen ebenfalls wegen der Abstraktheit der Grundschuld auf den Nominalbetrag des Grundpfandrechts ab. Hiernach habe der Sicherungsgeber einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld gegen den Gläubiger, wenn die durch die Sicherungsabrede gesicherte Forderung erloschen sei. Da die Grundschuld nach den Versteigerungsbedingungen erloschen sei, setze sich der Rückgewähranspruch an dem Versteigerungserlös fort. Der Grundschuldgläubiger sei daher zur Rückgewähr des Differenzbetrags verpflichtet, soweit der dingliche Anspruch seine persönliche Forderung überstiegen habe. Diese Auffassung wird zu Recht abgelehnt. I.Ü. kann der Gläubiger dieses für ihn ungünstige Ergebnis dadurch abwenden, dass er rechtzeitig vor dem Verteilungstermin seine Rückgewähransprüche erfüllt, sodass persönlicher Anspruch und dingliches Grundpfandrecht wiederum übereinstimmen.
Rz. 29
Nach Auffassung von Muth kann der Streit darüber, ob auf den Nominalbetrag oder die persönliche Forderung abzustellen ist, dahinstehen, weil nur dem wirtschaftlichen Anliegen des Gesetzes Rechnung zu tragen sei. Geschützt werden solle der persönliche Schuldner nur davor, dass der Grundschuldgläubiger ihn in Höhe seines Ausfalles in Anspruch nimmt, obschon er als Ersteher diesen Ausfall bei der Ersteigerung des Grundstücks wirtschaftlich gesehen kompensiert hat.
Rz. 30
Die Befriedigungsfiktion soll i.Ü. auch dann eintreten, wenn der Ersteher die Zwangsversteigerung wegen seiner Grundschuld betrieben, aber eine mitgesicherte Darlehensforderung noch nicht fällig gestellt hat. Da die Sicherungsgrundschuld aber nur dann verwertet werden darf, wenn die gesicherte Forderung selbst fällig ist, kann dieser Ansicht des BGH so nicht gefolgt werden.
Rz. 31
Der Grundschuldgläubiger, der durch einen Strohmann, einen uneigennützigen Treuhänder oder eine von vielen abhängige Gesellschaft das Grundstück zu einem Betrag unter der 7/10-Grenze ersteigern lässt, um sich dessen Wert zuzuführen, muss sich so behandeln lassen, als hätte er das Gebot selbst abgegeben. Die Befriedigungsfiktion findet auch dann Anwendung, wenn das den betreibenden Gläubiger beherrschende Unternehmen – selbst oder über einen von ihm abhängigen Dritten – das Grundstück ersteigert hat und der Gläubiger im Versteigerungstermin nicht als Bietkonkurrent des herrschenden Unternehmens auftreten konnte. Konkret hatte in der Entscheidung des BGH die B-Bank als Gläubigerin zweier Grundschulden die Zwangsversteigerung betrieben. Den Zuschlag auf das einzige Gebot von rund 50 % des Werts erhielt die A-GmbH. Alleinige Ges...