Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 14
Zwischen den geschiedenen Ehegatten findet nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt (§ 1587 BGB)
Nach § 1 VersAusglG werden alle in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Eheleute auf Alters- oder Invaliditätsversorgung hälftig geteilt.
1. Ehezeit
Rz. 15
Ehezeit ist nach § 3 Abs. 1 VersAusglG der Zeitraum
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vom ersten Tag des Monates, in dem die Ehe geschlossen worden ist bis zum |
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letzten Tag des Monates, der der Zustellung des Scheidungsantrages vorausgeht. |
Beispiel:
Die Ehe ist am 23.5.1991 geschlossen worden und der Scheidungsantrag wurde am 14.5.2021 zugestellt.
Gesetzliche Ehezeit für den Versorgungsausgleich ist hier der Zeitraum vom 1.5.1991 bis zum 30.4.2021.
Der Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt damit das Ehezeitende.
Rz. 16
Praxistipp:
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Sind mehrere Verfahren anhängig gemacht worden, so ist regelmäßig der älteste noch rechtshängige Antrag maßgeblich. Auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand des Scheidungsverfahrens kommt, die Ehegatten aber weiterhin getrennt leben, kann nach Fortsetzung des Verfahrens nicht – aus Billigkeitsgründen – von einem späteren Ehezeitende ausgegangen werden. |
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Dies gilt auch, wenn das Verfahren jahrelang ruht, also nicht betrieben wird. |
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Das Ehezeitende wird nur dann nach der Rechtshängigkeit des später eingeleiteten Scheidungsverfahrens bestimmt, wenn die Rechtshängigkeit des früheren Verfahrens durch wirksame Rücknahme des Antrags nach § 269 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO beendet worden ist, bevor der gegnerische Antrag zugestellt und damit rechtshängig wurde. |
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Prüfen Sie immer genau vor Einreichung eines Scheidungsantrags, ob nicht bereits zu früheren Zeiten ein Scheidungsverfahren zwischen den Eheleuten anhängig war. |
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Ist dies der Fall, prüfen Sie sorgfältig – am besten durch Akteneinsicht – ob dieses alte Verfahren wirksam durch korrekte Rücknahme beendet worden ist. Dazu müssen die Voraussetzungen des § 269 ZPO erfüllt sein. Die Rücknahmeerklärung muss nicht nur zu den Gerichtsakten gelangt sein, sondern dem Verfahrensgegner auch ordnungsgemäß zugestellt worden sein (§ 269 Abs. 2 Satz 3 ZPO). |
2. Ehezeitanteil
Rz. 17
Der Ehezeitanteil wird vom Versorgungsträger jeweils in der für das auszugleichende Anrecht nach § 5 Abs. 1 VersAusglG maßgebenden Bezugsgröße berechnet.
3. Ausgleichswert
Rz. 18
Der Ausgleichswert ist nach § 1 Abs. 2 VersAusglG die Hälfte des Werts des Ehezeitanteils eines Anrechts. Dabei handelt es sich – vorbehaltlich des Abzugs anteiliger Teilungskosten nach § 13 VersAusglG – um den Wert, der zugunsten des Ausgleichsberechtigten übertragen wird.
Rz. 19
Der Ausgleichswert hat u.a. auch Bedeutung für die möglichen Ausgleichsformen. Denn von der Höhe dieses Wertes hängt u.a. ab, ob der Versorgungsträger den Ausgleich des Anrechts im Wege der externen Teilung verlangen kann (§§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG). Wird eine bestimmte Höhe des Ausgleichswertes unterschritten, so soll das Familiengericht nach § 18 VersAusglG außerdem von der Teilung absehen (Bagatellklausel), Siehe Rdn 50.
Rz. 20
Der Versorgungsträger berechnet den Ausgleichswert und unterbreitet dem Familiengericht einen entsprechenden Vorschlag (§ 5 Abs. 3 VersAusglG), an den das Familiengericht nicht gebunden ist. Zudem müssen gem. § 220 Abs. 4 FamFG auch die hierfür erforderlichen Berechnungen kurz und verständlich dargestellt werden, einschließlich der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen und Regelungen.
Das Gesetz benennt mit Entgeltpunkten, Rentenbetrag und Kapitalwert die in der Praxis wichtigsten Bezugsgrößen. Angesichts der Vielfalt der Versorgungsarten kommen daneben allerdings auch andere Bezugsgrößen wie etwa Versorgungspunkte, Leistungszahlen oder Steigerungszahlen in Betracht.
Rz. 21
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist das Ende der Ehezeit. Nach § 5 Abs. 2 VersAusglG sind jedoch rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, in die Bewertung einzubeziehen.
4. Auszugleichende Anrechte
Rz. 22
Die auszugleichenden Anrechte werden in § 2 Abs. 2 VersAusglG näher definiert.
a) Aufzählung der im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrechte
Rz. 23
Demnach ist ein Anrecht auszugleichen,
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sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, |
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der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und |
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auf eine Rente gerichtet ist. |
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Zusätzlich wird festgelegt, dass ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes unabhängig von der Leistungsform auszugleichen ist. |
Praxistipp:
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Das bedeutet, dass die betrieblichen Altersversorgungen und die sog. "Riester"-Verträge auch dann dem Versorgungsausgleich unterliegen, wenn sie eine Kapitalzahlung vorsehen. |
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Nach früherem Recht waren alle auf Kapitalleistung gerichteten Versicherungen dem Zugewinn vorbehalten. § 2 Abs. 4 VersAusglG stellt jetzt klar, dass solche Anrechte beim Zugewinnausgleich unberücksichtigt bleiben. |
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Diese Änderung geg... |