Rz. 1
Rechtsanwälte führen Prozesse und sind Berater ihrer Mandanten. Notare beurkunden Verträge, Satzungen sowie anderes und beraten auch. Vor allem für diese beiden Berufsgruppen geraten auch "kleine" Beratungsfelder immer mehr in den Fokus. Ein solches Beratungsfeld ist das der Stiftungen. Stiftungen spielen etwa als "selbst geschaffene Erben oder Nachfolger" spätestens seit der Jahrtausendwende eine zunehmende Rolle in der Nachfolgeberatungspraxis.
Rz. 2
Spezialistentum ist vor allem bei Anwälten ein Trend unserer Zeit. Auf der Hand liegt allerdings, was derjenige einem Stiftungsinteressenten raten wird, der eben "nur" auf Stiftungen (oder gar: nur auf treuhänderische Stiftungen) spezialisiert ist. Man kann bedauerlicherweise zunehmend beobachten, dass versucht wird, bestimmte Stiftungsgestaltungen (Modelle), wie z.B. standardisierte treuhänderische Stiftungen, produktmäßig zu "vertreiben" und das nicht selten sogar durch im Stiftungswesen kurz "angelernte" Vertriebsleute. So gab es etwa den Fall, dass sich ein Vertriebsnetzwerk einen StB/WP/RA "eingekauft" hatte und diesen in einer Art Schnellkurs auf das Stiftungswesen hatte trimmen lassen, um ihn dann im Netzwerk als "den" Stiftungsfachmann zu verkaufen. Später hat man sich zerstritten und einen echten, erfahrenen Fachmann gesucht. Dessen Bedingungen für eine objektivierende Beratung hat man allerdings nicht akzeptieren wollen. Richtig ärgerlich fanden wir auch das Angebot, im Anschluss an eine Vortragsveranstaltung eine "fundierte Beratung" zur Errichtung einer rechtsfähigen oder treuhänderischen Stiftung "in ein bis zwei Stunden" durchzuführen. So lange dauert aus unserer Sicht schon das Sondierungsgespräch für eine erste Abklärung der Wünsche des potentiellen Stifters.Und dann war da auch der Mitarbeiter einer Stiftungsaufsichtsbehörde irgendwo in Deutschland. Er berichte durchaus stolz über eine Stiftungserrichtung, die man in nur vier Tagen durchgezogen habe, denn der Stifter habe die "übliche Mustersatzung" der Behörde verwendet; so sei man ganz schnell fertig gewesen.
Rz. 3
Wir haben erhebliche Zweifel, ob für den Stifter das bei der Behörde Übliche wirklich nachhaltig passend ist. Typischerweise ist ein Stifter mit seinem konkreten Stiftungswunsch gerade nicht "üblich". Vielmehr hat er in aller Regel spezifische Wünsche und Vorstellungen zu "seiner" Stiftung, die im Laufe der Beratung weiterzuentwickeln und zu konkretisieren sind. Eine ihm schnell übergestülpte Mustersatzung dürfte dem Stifter typischerweise einen Bärendienst erweisen. Er wird die Mustersatzung auch kaum wirklich durchdacht und verstanden haben. Sie wird ihm mit etwaigen Alternativen zur Abfassung der Satzung oder sogar zu alternativ denkbaren Rechtsformen nicht in der erforderlichen Deutlichkeit und Tiefe erläutert worden sein.
Rz. 4
Der Mitarbeiter einer Stiftungsbehörde kann gar nicht der Berater des Stifters sein. Er ist derjenige, der im Namen der Behörde eine Stiftung nach § 80 BGB "anerkennt". Dabei hat er nur zu prüfen, ob die Stiftung den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Er prüft dagegen gerade nicht, was für das Vorhaben des Stifters das am besten passt. Er prüft auch nicht, ob der Stifter "stiftungsreif" ist. Ebenso wenig prüft er, ob dem Stifter angesichts seiner konkreten Situation und seiner Vorstellungen überhaupt zu einer rechtsfähigen Stiftung zu raten ist. Alles das und noch sehr viel mehr hat der Behördenmitarbeiter gar nicht im Fokus. Den dazu erforderlichen ausführlichen Dialog mit dem Stifter führt er schon aus Zeitgründen nicht.
Rz. 5
Schließlich hat ein Kollege, und das war der letzte Anlass für die vorliegenden Gedanken, unter dem Pseudonym "Zerberus" "aus dem Tagebuch eines Erbrechtsanwalts" nach einem Bericht über zwei an diesem Tag abgelehnte Mandatsanfragen wegen Testamentsanfechtung wörtlich Folgendes über eine letzte Beratung an diesem Tag geschrieben:
"Letzter Termin abends: Termin zu einer Stiftungsgründung. Ein älteres Ehepaar ist mit seinen drei erwachsenen Kindern mitgekommen. Die Kinder sind nicht wie die Eltern auf Rosen gebettet. Zu meiner großen Überraschung erklären diese, selbstverständlich den Willen der Eltern zu akzeptieren und auch den notwendigen Pflichtteilsverzicht zu unterzeichnen. Was für ein Kontrastprogramm. Gibt es das wirklich noch, oder habe ich mich verhört? In aller Ruhe Stiftungszweck und Begünstigte besprochen, Notartermine wurden gleich vereinbart. …"
Irren wir uns oder erinnert das nicht stark an die vorstehend betrachtete Schellberatungspraxis und an den schnellen Stiftungsbehördenmitarbeiter? Aber eine Stiftungsberatung braucht Zeit. Der Stiftungswille ist gründlich zu hinterfragen. Die Stiftungsreife ist zu prüfen, denn gestiftet wird tendenziell für die Ewigkeit.
Rz. 6
Bei solchen und ähnlichen "Beratungsvorfällen" ist es kein Wunder, dass so mancher Stifter gar nicht verstanden hat, zu was man ihm da "geraten" hat. Er wird sich dann spätestens im Laufe der Zeit falsch beraten fühlen und sich darüber im Nac...