Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 14
Auch vor der Teilung kann der Gläubiger die Miterben als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) im Wege der Gesamtschuldklage in Anspruch nehmen.
Hinweis
Hierzu verklagt er einzelne, mehrere oder sämtliche Miterben gesamtschuldnerisch als einfache Streitgenossen, §§ 59, 60 ZPO (d.h. uneinheitliche Entscheidungen sind möglich, § 425 BGB). Eine Gesamtschuldklage ist auch bei unteilbarer Verbindlichkeit, wie Auflassung oder Zustimmung zur Grundbuchberichtigung oder Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek möglich. In diesem Fall ist sie zu richten auf die Herbeiführung der Auflassung, etc.
Diese hat das Ziel, eine Vollstreckung sowohl vor als auch nach der Teilung in den Nachlass und das Eigenvermögen der Miterben zu ermöglichen:
1. Vollstreckung in den Nachlass
Rz. 15
Hat der Gläubiger gegen alle Miterben – einzeln oder zusammen – einen Titel im Wege der Gesamtschuldklage erstritten (oder auf freiwilliger Basis erhalten, § 794 Abs. 1 ZPO), so kann er auch hieraus in den ungeteilten Nachlass vollstrecken; die Voraussetzungen des § 747 ZPO sind auch durch einen Gesamtschuldtitel erfüllt. Der Nachlass als Vollstreckungsobjekt setzt sich zusammen aus den Nachlassgegenständen sowie ihren Surrogaten, § 2041 S. 1 BGB (auch im Wege der Kettensurrogation).
Hinweis
Auch ein Vorbehalt des Erben oder das Geltendmachen von Haftungsbeschränkungsmitteln inkl. § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB hindert die Vollstreckung in den Nachlass nicht.
2. Vollstreckung in den Miterbenanteil
Rz. 16
Aus einem Urteil, das einen oder mehrere Miterben als Gesamtschuldner verurteilt, kann der Gläubiger in den jeweiligen Miterbenanteil der verurteilten Miterben vollstrecken. Dies kann der Miterbe auch durch Einredeerhebung nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB nicht verhindern.
Hinweis
Hier greift die Ratio der Norm nicht. Der Miterbe ist über seinen Miterbenanteil allein verfügungsbefugt, § 2033 BGB.
3. Vollstreckung in das sonstige Eigenvermögen
a) Einrede des ungeteilten Nachlasses als gegenständliche Haftungsbeschränkung des nicht unbeschränkt haftenden Miterben, § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 17
Besteht die eingeklagte Forderung, so werden die Miterben gesamtschuldnerisch verurteilt. Aus einem solchen Urteil können Nachlassgläubiger nicht nur in den Nachlass und den Miterbenanteil, sondern auch in das sonstige Eigenvermögen eines jeden verklagten Miterben uneingeschränkt vollstrecken. Daran ändert auch das Erheben der Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB nichts. Wie alle Einreden der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass werden auch dessen Voraussetzungen erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung geprüft und hier auch erst dann (§ 781 ZPO), wenn der Erbe gegen die Vollstreckung in sein Eigenvermögen nach §§ 785, 767 ZPO vorgeht (siehe § 12 Rdn 18 ff.). Dies ist allerdings – wie stets – nur möglich, wenn sich der Erbe die Einrede der beschränkten Erbenhaftung im Urteil vorbehalten hat. Auch hier genügt ein allgemeiner Vorbehalt, § 780 ZPO (§ 11 Rdn 25).
Hinweis
Ohne Vorbehalt kann der Erbe die Vollstreckung in sein Eigenvermögen wegen einer Nachlassverbindlichkeit nicht verhindern, ggf. aber Aufwendungsersatzansprüche gegen die anderen Miterben geltend machen.
Rz. 18
Die Einrede des ungeteilten Nachlasses steht jedem Miterben, der seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit noch nicht verloren hat (für die unbeschränkt haftenden Erben gilt § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB), gegenüber reinen Nachlassverbindlichkeiten zu und zwar, solange der Nachlass noch nicht geteilt ist. Denn durch die Auseinandersetzung wird die Trennung zwischen Nachlass und den jeweiligen Eigenvermögen der Miterben aufgehoben und die Vermögensmassen verschmelzen. Die haftungsrechtliche Situation des Miterben ist nunmehr vergleichbar mit der des Alleinerben. Die sich aus § 2059 BGB ergebenden Haftungsbeschränkungsmaßnahmen bestehen nicht mehr.
Rz. 19
Ob der Nachlass geteilt ist, bestimmt sich nach seinem objektiven Gesamtbild. Entscheidend ist, ob ein so erheblicher Teil der Nachlassgegenstände aus der Gesamthandsgemeinschaft ...