Walter Krug, Dr. Christopher Riedel
1. Allgemeines
Rz. 224
Die Zuwendung eines Vermächtnisses auf Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechts (§ 1093 BGB) dient der Absicherung des Vermächtnisnehmers im Hinblick auf das elementare Grundbedürfnis des Wohnens. Zugunsten des Ehegatten, des eingetragenen Lebenspartners oder des nichtehelichen Lebenspartners soll bspw. das Wohnen in der bisherigen Wohnung nach dem Tod eines Partners sichergestellt werden, ohne dass auch das Eigentum an der Wohnung an den Partner übergeht. Auch für Eltern oder Geschwister des Erblassers kommt das Wohnungsrechtsvermächtnis in Betracht. Dabei ist entscheidend, dass die dingliche Rechtsposition eines Wohnungsrechts als Unterfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mehr Sicherheit bietet als die Gewährung eines Mietverhältnisses. Es beinhaltet eine dingliche Rechtsposition, für die die Kündigungs- und Mietpreisvorschriften nicht gelten.
Dingliches Wohnungsrecht einerseits und Mietverhältnis andererseits sind rechtlich deutlich voneinander zu unterscheiden. Rechtsgrund für das Wohnungsrecht ist bei seiner vermächtnisweisen Zuwendung das sich aus dem Vermächtnis ergebende schuldrechtliche Rechtsverhältnis und nicht ein etwa zusätzlich abgeschlossener Mietvertrag über die von dem dinglichen Recht erfasste Wohnung. Die Kündigung des Mietverhältnisses berührt das dingliche Wohnungsrecht grundsätzlich nicht.
Rz. 225
Noch ein weiterer Aspekt erscheint erwähnenswert: Wurde dem Eigentümer zur Erstellung eines Gebäudes ein Baukostenzuschuss gewährt, kann es gerechtfertigt erscheinen, dem Kapitalgeber als Gegenleistung dafür ein lebenslanges Wohnungsrecht zu Lebzeiten und/oder nach dem Tod des Erblassers einzuräumen.
2. Entstehung des Wohnungsrechts
Rz. 226
Aufgrund der Zuwendung des Vermächtnisses auf Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts hat der Begünstigte Anspruch auf Erklärung der dinglichen Einigung nach § 873 BGB, Eintragung des Wohnungsrechts im Grundbuch nach Bewilligung von Seiten der Erben (§ 19 GBO), wobei deren Voreintragung als Eigentümer des Gebäudegrundstücks erforderlich ist (§ 39 GBO) und Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den betreffenden Räumen. Das Wohnungsrecht kann nur in der Form des Verschaffungsvermächtnisses zugewandt werden. Denn es gehört als solches nicht zum ursprünglichen Nachlass.
Rz. 227
Zur Sicherung des Erfüllungsanspruchs kann dem Wohnungsrechtsvermächtnisnehmer eine transmortale oder postmortale Vollmacht zur Erklärung der Einigung und zur Abgabe der erforderlichen Grundbucherklärung vom Erblasser erteilt werden. In Betracht kommt auch die Ernennung des Wohnungsrechtsvermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker zum Zwecke der Erfüllung des Wohnungsrechtsvermächtnisses.
Rz. 228
Außerdem kann der Erblasser bereits in der Verfügung von Todes wegen seine nach § 873 BGB erforderliche Einigungserklärung abgeben, die nach seinem Tod vom Vermächtnisnehmer angenommen werden kann. Ist die Verfügung von Todes wegen beurkundet, so kann auch die Eintragungsbewilligung von Seiten des Erblassers sofort erklärt werden (§ 19 GBO); sie entspricht in einem solchen Fall der Formvorschrift des § 29 GBO.
3. Inhalt des Wohnungsrechts
Rz. 229
Wesentliches Merkmal des Wohnungsrechts ist der Ausschluss des Eigentümers von der Benutzung des betreffenden Gebäudes oder Gebäudeteils (auch einer Eigentumswohnung). Wird der Eigentümer von der Mitbenutzung nicht ausgeschlossen, so handelt es sich um eine gewöhnliche beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB.
Rz. 230
Als Dienstbarkeit ist das Wohnungsrecht nicht veräußerlich, nicht vererblich (§§ 1090 Abs. 2, 1061 BGB) und nur mit Zustimmung des Eigentümers der Nutzung nach übertragbar (§§ 1092 Abs. 1, 1093 Abs. 2).
Rz. 231
Dem Inhalt nach hat das Wohnungsrecht große Ähnlichkeit mit dem Nießbrauch, denn das Schwergewicht liegt auch hier auf einer den Eigentümer ausschließenden Nutzung. Deshalb sind für das Wohnungsrecht eine Reihe von Vorschriften aus dem Nießbrauchsrecht in § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB für entsprechend anwendbar erklärt worden:
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dingliches Recht zum Besitz, § 1036 Abs. 1 BGB; |
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Erhaltung der Wohnung auf Kosten des Wohnungsberechtigten, soweit es sich um die gewöhnliche Unterhaltung handelt, § 1041 BGB; |
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keine Ersatzpflicht des Wohnungsberechtigten für übliche Veränderungen oder Verschlechterungen, § 1050 BGB; |
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keine Lastentragung; nicht entsprechend anwendbar ist § 1047 BGB. |