Rz. 31

Auf der anderen Seite folgte hieraus bisher nicht, dass der Personenkreis der Berechtigten des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs immer übereinstimmen mussten. Nach früherer Rechtsprechung des BGH war ein an sich Pflichtteilsberechtigter nur dann auch Gläubiger eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs, wenn er zum Zeitpunkt der Schenkung, der für den Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgeblich ist, auch schon zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört hat (sog. Doppelberechtigung).[53] Mit Urteil vom 23.5.2012[54] entschied der BGH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Theorie der Doppelberechtigung, dass Voraussetzung für das Bestehen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht ist, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand. Zur Begründung beruft sich der BGH zum einen auf den Wortlaut und zum anderen auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Gegen die Theorie der Doppelberechtigung spreche der Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts, die Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte auch schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war. Bei Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung würde es zu einer Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers kommen. Das Bestehen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs wäre im Ergebnis vom Zufall abhängig. Vor dieser Entscheidung des BGH stand z.B. Kindern des Erblassers ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht zu, wenn sie vom Erblasser erst nach einer für den Pflichtteilsergänzungsanspruch relevanten Schenkung adoptiert wurden.[55] Gleiches galt für diejenigen Kinder, die erst nach der den Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösenden Schenkung geboren wurden.

 

Rz. 32

Fraglich ist, wie es sich zukünftig mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch eines Ehepartners verhält, der im Pflichtteilsrecht grundsätzlich anders behandelt wird wie ein Abkömmling, vgl. § 2325 Abs. 3 BGB.[56] Nach der bisherigen Theorie von der Doppelberechtigung stand ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nur hinsichtlich der vom Erblasser nach der Heirat getätigten Schenkungen zu.[57] Zur Aufgabe der Theorie zur Doppelberechtigung vgl. Bonefeld, ZErb 2012, 225 ff.

[53] BGH ZEV 1997, 373; BGHZ 59, 210.
[55] Rohlfing, Erbrecht, § 5 Rn 198.
[56] Vgl. Bonefeld, ZErb 2012, 225.
[57] Keller, ZEV 2000, 268.

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