Rz. 83

Nach § 1960 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB kann das Nachlassgericht für einen unbekannten Erben einen Pfleger bestellen. Die Frage, ob die Person des Erben nicht feststeht, liegt im Ermessen des Nachlassgerichts und ist aus dessen Sicht zu beurteilen.[142] Ausreichend ist dabei, dass der Erbe mit großer Wahrscheinlichkeit derzeit nicht festgestellt werden kann.[143] Dies liegt z.B. vor, wenn unterschiedliche potenzielle Erben über ihre Erbberechtigung gerichtlich streiten.[144] Ferner ist der Erbe unbekannt, wenn nicht geklärt ist, ob überhaupt eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder wenn erhebliche Zweifel an deren Wirksamkeit gegeben sind. Nicht ausreichend ist hingegen nur die reine Möglichkeit einer Testamentsanfechtung.[145] Hängt die Frage der Begründbarkeit einer Anfechtungsklage wegen Erbunwürdigkeit von dem Ausgang eines Strafverfahrens ab, dann liegen die Voraussetzungen des § 1960 BGB ausnahmsweise vor.[146] Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft liegt nicht vor, wenn nach § 1964 Abs. 2 BGB festgestellt ist, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist.[147]

 

Rz. 84

Kommen mehrere Erben in Betracht, dann ist für jeden Erbteil und jeden Erben gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft vorliegen. Soweit nur einzelne Miterben unbekannt sind, ist keine Gesamtpflegschaft, sondern nur eine Teilpflegschaft anzuordnen.[148]

[142] OLG Köln FamRZ 1989, 547.
[143] AG Starnberg FamRZ 1983, 1280.
[144] MüKo-BGB/Leipold, § 1960 Rn 16.
[145] MüKo-BGB/Leipold, § 1960 Rn 14; OLG Celle FamRZ 1959, 33; AG Starnberg FamRZ 1983, 1280.
[147] OLG Hamm FamRZ 2017, 924.

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