Rz. 85

Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn dieser zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber dem Nachlass von einem Nachlassgläubiger beantragt wird.[149]

 

Rz. 86

Diese sog. Klagepflegschaft ermöglicht dem Pflichtteilsberechtigten, als Nachlassgläubiger seinen Anspruch gegen den unbekannten Erben oder gegen den Erben, der die Erbschaft noch nicht angenommen hat, geltend zu machen.[150] Neben den Fällen, dass dem Pflichtteilsberechtigten die Ermittlung des Erben und damit des Passivlegitimierten nicht möglich ist, kommt eine Klagepflegschaft auch dann in Betracht, wenn ein Miterbe während eines laufenden Prozesses verstirbt und sein Rechtsnachfolger noch nicht feststeht.

 

Rz. 87

Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Anordnung der Klagepflegschaft verweist § 1961 BGB zunächst auf § 1960 Abs. 1 BGB. Das Nachlassgericht hat bei der Prüfung, ob der Erbe unbekannt ist, hier insbesondere die Position des Nachlassgläubigers zu berücksichtigen. Es hat insbesondere zu prüfen, ob es dem Nachlassgläubiger zugemutet werden kann, die für das Vorliegen der Passivlegitimation erforderlichen Nachweise zu beschaffen.[151] Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Nachlassgläubiger eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs anstrebt. Er ist allerdings nicht verpflichtet, die gerichtliche Geltendmachung unmittelbar zu verfolgen. Der Pflichtteilsberechtigte kann durchaus zuvor die außergerichtlichen Erfüllung seines Anspruchs durch den Nachlasspfleger anstreben und lediglich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen eine Klageerhebung beabsichtigen.[152] Im Rahmen der Anordnung der Klagepflegschaft sollte der Aufgabenkreis des Nachlasspflegers daher nicht auf die reine gerichtliche Vertretung beschränkt werden, da bei einer unstreitigen Nachlassforderung aus Kostengründen auch eine außergerichtliche Erfüllung in Betracht kommt.[153]

 

Rz. 88

Dem Pflichtteilsberechtigten obliegt i.d.R. auch ein Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs, wenn ein Testamentsvollstrecker vorhanden ist.[154] Allerdings darf der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht offensichtlich unbegründet sein.[155] Unter die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs fallen auch die Einleitung der Teilungsversteigerung nach §§ 180 ff. ZVG, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes[156] und das Zwangsvollstreckungsverfahren.[157]

[149] Der Aufgabenkreis des Nachlasspflegers muss dabei nicht auf die gerichtliche Geltendmachung beschränkt werden, vgl. OLG München FamRZ 2014, 968.
[150] Palandt/Weidlich, § 1961 Rn 1.
[151] BayObLG Rpfleger 1984, 102; LG Oldenburg Rpfleger 1982, 105.
[152] KG OLGZ 1981, 151.
[154] MüKo-BGB/Leipold, § 1961 Rn 8.
[155] Staudinger/Marotzke, § 1961 Rn 8.
[156] RGZ 60, 179.
[157] LG Oldenburg Rpfleger 1982, 105.

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